Wicked - Die Hexen von Oz
nicht gescheit. Schwester Aelphaba blickte nur unverwandt auf den Boden. Obwohl sie um die dreiÃig zu sein schien, hatte sie ein bleiches Jungmädchengesicht.
»Dort steht das Gepäck â können Sie es tragen?« Die Mutter Oberin deutete auf das Häuflein Sachen im ansonsten blitzsauberen Klostervorhof. Dann wandte sie sich der scheidenden Nonne zu. »Liebes Kind des Namenlosen Gottes«, sagte sie, »du gehst von uns, um eine Schuld zu sühnen. Du bist der Meinung, dass du BuÃe tun musst, bevor du Frieden finden kannst. Die ungestörte Stille des Klosters entspricht nicht mehr deinen Bedürfnissen. Du kehrst zu dir selbst zurück. Wir entlassen dich daher mit Liebe und guten Wünschen für deinen Erfolg. Der Namenlose Gott behüte dich, liebe Schwester.«
Die Angesprochene hielt den Blick auf den Boden gerichtet und antwortete nicht.
Die Mutter Oberin seufzte. »Die Andacht wartet auf uns.« Sie zog ein paar Scheine aus einer Geldrolle in den Tiefen ihrer Gewänder und reichte sie Uda Lahmhand. »Damit sollten Sie eigentlich gut auskommen.«
Es war ein ordentlicher Batzen. Uda verdiente viel an der Beförderung dieser stummen Person über die Kallen â mehr als die anderen Wagenführer zusammen. »Sie sind zu gütig, ehrwürdige Mutter«, sagte sie. Sie nahm das Geld mit ihrer guten Hand und machte mit ihrer lahmen eine Geste der Ehrerbietung.
»Niemand ist zu gütig«, erwiderte die Mutter Oberin freundlich und verzog sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit hinter die Klostertüren. »Du bist jetzt auf dich allein gestellt, Schwester Aelphaba«, sagte die Schwester Ãkonomin zum Abschied. »Mögen alle Sternedir auf deinem Weg hold sein!« Und damit entschwand auch sie. Uda machte sich daran, Gepäck und Vorräte auf den Wagen zu laden. Hinter der Truhe schlief ein kleiner, dicklicher Junge in zerlumpter Kleidung. »Fort mit dir!«, sagte Uda, doch der Junge murmelte: »Ich soll mitkommen, hat es geheiÃen.« Als Schwester Aelphaba diese Aussage weder bestätigte noch bestritt, wurde Uda langsam klar, warum der Fuhrlohn für die grüne Nonne mehr als groÃzügig gewesen war.
Das Kloster der heiligen Glinda lag zwölf Meilen südwestlich der Smaragdstadt in der Schiefersenke und war ein Ableger des Konvents in der Stadt. Nach Auskunft der Mutter Oberin hatte Schwester Aelphaba zwei Jahre in der Stadt und fünf Jahre hier zugebracht. »Wollen Sie immer noch Schwester genannt werden, jetzt, wo Sie diesem heiligen Gefängnis entkommen sind?«, fragte Uda, während sie die Pferde mit einem Zügelschnalzen antrieb.
»Elphie tutâs«, sagte ihre Passagierin.
»Und der Junge, wie heiÃt der?«
Die Frau namens Elphie zuckte die Achseln.
Ein paar Meilen weiter traf die Kutsche auf die übrige Karawane. Es waren insgesamt vier Wagen und fünfzehn Reisende. Elphaba und der Junge stieÃen als Letzte dazu. Uda Lahmhand beschrieb die Route, die sie nehmen wollten: nach Süden am Kallensee entlang, nach Westen durch die Kumbricia-Schneise, nach Nordwesten durch das Tausendjährige Grasland, Zwischenstation in Kiamo Ko und dann ein Stück weiter nordwestlich überwintern. Der Winkus war unzivilisiertes Gebiet, erklärte Uda ihnen, und es gab Stämme, vor denen man auf der Hut sein musste: die Yunamatas, die Schrähen, die Arjikis. Und es gab wilde Tiere. Und Geister. Sie mussten dicht zusammenbleiben. Sie mussten sich gegenseitig vertrauen.
Elphaba zeigte keinerlei Interesse. Sie spielte mit der Phönixfeder herum und zeichnete zwischen ihren FüÃen Muster in den Staub, gewundene Formen wie sich ringelnde Drachen oder Rauchfahnen. Der Junge kauerte misstrauisch und verschlossen zwei, drei Meterentfernt. Er schien ihr Diener zu sein, denn er kümmerte sich um ihr Gepäck und bediente sie, wenn sie etwas brauchte, aber sie sahen sich nicht an und redeten nicht miteinander. Uda fand es höchst merkwürdig und hoffte, dass es nichts Böses verhieÃ.
Der Wildbahnzug brach im Morgengrauen auf und legte nur wenige Meilen zurück, bevor an einem Bach das erste Lager aufgeschlagen wurde. Die Reisenden, gröÃtenteils Gillikinesen, faselten nervös davon, wie mutig sie waren, sich so weit von der Sicherheit von Mittel-Oz zu entfernen. Jeder hatte andere Gründe: Geschäfte, Familienpflichten, eine Schuld, die zu begleichen, ein
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