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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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war. Noch ehe die Tränen getrocknet waren, summte sie schon wieder vor sich hin, gespannt auf den seltenen Besuch.
    Sie sah kurz nach den Kindern, bevor sie hinunterging. Sie waren aufgedreht, wie immer, wenn Fremde kamen. Irji und Manek, zwölf und elf, waren beinahe alt genug, um aus diesem Schlag giftiger Tauben ausbrechen zu wollen. Irji war weich und weinte viel, aber Manek war von jeher ein kleiner Racker gewesen. Wenn sie die beiden imSommer mit dem Stamm in das Grasland ziehen ließe, müsste sie damit rechnen, dass ihnen die Kehlen aufgeschlitzt wurden – es gab zu viele Stammesgenossen, die für sich oder ihre Söhne die Führerschaft beanspruchten. Darum behielt Sarima die Jungen lieber in ihrer Nähe.
    Ihre Tochter Nor, langbeinig und eine Daumenlutscherin, obwohl sie schon neun war, musste sich vor dem Einschlafen noch einmal in den Schoß kuscheln. Da sie sich zum Essen feingemacht hatte, wollte Sarima das erst verbieten, aber ließ es dann doch zu. Nor lispelte leicht. Sie freundete sich mit Steinen und Kerzen an und mit Grashalmen, die erstaunlicherweise in den Ritzen der Fensterlaibung wuchsen. Sie seufzte und rieb das Gesicht am Halsreif und sagte: »Ein Junge ist auch dabei, Mama. Wir haben mit ihm im Hof gespielt.«
    Â»Wie ist er? Ist er auch grün?«
    Â»Nö. Er ist normal. Er ist dick und kräftig und gutmütig, und Manek hat ihn mit Steinen beworfen, um zu sehen, wie weit sie von ihm abprallen. Das hat er sich gefallen lassen. Vielleicht tut’s ja nicht weh, wenn man so dick ist.«
    Â»Das bezweifle ich. Wie heißt er?«
    Â»Liir. Ist das nicht ein komischer Name?«
    Â»Klingt ausländisch. Und seine Mutter?«
    Â»Ich weiß nicht, wie sie heißt, und ich glaube nicht, dass sie seine Mutter ist. Er wollte es nicht sagen, als wir gefragt haben. Irji hat gesagt, er muss ein Bastard sein. Liir hat gesagt, das ist ihm egal. Er ist nett.« Sie schob sich den rechten Daumen in den Mund, und mit der Linken tastete sie über den Stoff von Sarimas Kleid unter dem Halsreif, bis sie eine Brustwarze gefunden hatte. Liebevoll strich sie mit dem Daumen darüber wie über ein kleines Schmusetier. »Manek hat ihn gezwungen, die Hose runterzulassen, damit wir uns überzeugen konnten, dass sein Ding nicht grün ist.«
    Sarima missbilligte das, und sei es nur aus Gründen der Gastfreundschaft, aber musste doch fragen: »Und was habt ihr gesehen?«
    Â»Ach, das Übliche.« Nor schmiegte den Kopf an den Hals ihrerMutter und musste dann von dem Puder niesen, den Sarima nahm, damit ihre Kinnlappen sich nicht wundscheuerten. »So ein doofes Jungending. Kleiner als bei Manek und Irji. Aber nicht grün. Ich fand es so doof, dass ich nicht lange geguckt habe.«
    Â»Das hätte ich auch nicht. Das war sehr rüpelhaft.«
    Â»Ich war’s nicht. Manek war’s!«
    Â»Na gut, Schluss damit. Jetzt noch ein Märchen vor dem Einschlafen. Ich muss bald nach unten, also ein kurzes. Welches willst du hören, mein Kleines?«
    Â»Das Märchen von der Hexe und den Fuchskindern.«
    Nicht ganz so dramatisch wie sonst spulte Sarima das Märchen ab, das davon handelte, wie die drei Fuchskinder entführt und eingesperrt und für eine Fuchskasserolle mit Käse überbacken gemästet wurden und wie dann die Hexe von der Sonne Feuer holen ging, um sie zu schmoren. Doch als die Hexe erschöpft mit der Flamme in ihre Höhle zurückkam, überlisteten die Füchslein sie, indem sie ihr ein Schlaflied sangen. Als die Hexe einnickte und ihr der Arm niedersank, verbrannte die Flamme von der Sonne die Tür des Käfigs, und die Füchslein liefen davon. Dann holten sie mit lautem Geheule die alte Mutter Mond herab, und die stellte sich als unverrückbare Tür in den Eingang der Höhle. Zuletzt kamen die üblichen Schlussformeln. »Und dort musste die böse alte Hexe lange, lange bleiben«, beendete Sarima die Geschichte.
    Â»Und ist sie je wieder rausgekommen?«, fragte Nor wie gewohnt fast im Trancezustand.
    Â»Bis jetzt nicht«, sagte Sarima, und sie küsste und biss ihre Tochter am Handgelenk. Beide kicherten, dann wurde das Licht gelöscht.
    Die Treppe von ihren Privatgemächern führte ohne Geländer an der Wand entlang bis ins Burgverlies hinunter. In ihrem wallenden weißen Gewand nahm Sarima hoheitsvoll die erste Treppe, um den Hals den juwelenbesetzten Reif mit

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