Wicked - Die Hexen von Oz
Elphaba ihr das Angebot der Freiheit schuldig. Aber wie viel konnte man anderen Menschen schuldig sein? Nahm die Schuld nie ein Ende?
3
Nor war ganz aus dem Häuschen. In kurzer Zeit hatte sich ihr Leben vollkommen verändert. Die Welt war magischer als je zuvor, doch diese Welt schien jetzt in ihr zu sein, nicht auÃen. Ihr Körper brannte darauf, zu entflammen, zu erblühen, und niemand schien es zu beachten oder auch nur zu merken.
Liir war zum Wasserburschen für den Expeditionstrupp geworden. Irji verbrachte seine Zeit damit, lange Andachtshymnen an Lurlina zu erfinden. In ihrer Meinung über die bei ihnen einquartierten Männer hin- und hergerissen, verschlossen sich die Schwestern in ihren Gemächern und waren doch jederzeit sprungbereit, falls sich etwas änderte. Wobei der Brauch verlangte, dass sich gar nichts ändern konnte, solange Sarima nicht wieder heiratete; erst dann durften auch sie Anstrengungen in dieser Richtung unternehmen. Ihr heimliches Fädenziehen mit dem Ziel, Kommandeur Kirschstein und Sarima zu verkuppeln, blieb erfolglos. Sie verdoppelten ihre Bemühungen. Drei bat sogar die Tante Hexe um einen Liebestrank aus diesem Zauberbuch. »Ha«, sagte Elphaba, »so weit kommtâs noch«, und damit war die Sache erledigt.
Ihrer Spielgefährten beraubt, fing Nor an, sich in der Nähe der Soldatenquartiere herumzutreiben, und sie versuchte, bei Arbeiten auszuhelfen, die Liir nicht angetragen wurden und vor denen die Männer sich gerne drückten. Sie hängte ihre Mäntel in die Sonne. Sie putzte ihre Knöpfe blank. Sie brachte ihnen Blumen aus den Bergen. Sie richtete hin und wieder eine Schale mit Obst und Käse her, was ihnen zu gefallen schien, besonders wenn sie die Schale persönlichservierte. Ein junger, dunkler Soldat mit schütteren Haaren und einem gewinnenden Lächeln mochte es gern, wenn sie ihm die Orangenstücke direkt in den Mund warf, und zum neidvollen Vergnügen der anderen lutschte er ihr den Saft von den Fingern. »Setz dich auf meinen Schoë, sagte er, »und dann füttere ich dich.« Er hielt ihr eine Erdbeere hin, doch sie wollte sich nicht auf seinen Schoà setzen. Nein zu sagen, machte ihr SpaÃ.
Eines Tages beschloss sie, die Soldaten mit einem GroÃputz zu überraschen. Sie waren am Morgen losgezogen, um die Weinberge an den unteren Hängen aufzunehmen, und wurden erst gegen Abend zurückerwartet. Nor bewaffnete sich mit Lappen und Eimern, und da die Tante Hexe mit Ãmmchen in ein Gespräch vertieft war, in dem es anscheinend um Sarima ging, stibitzte Nor den Hexenbesen, weil er dickere Borsten und einen längeren Stiel hatte, und eilte davon.
Da sie nicht gut lesen konnte, ignorierte sie die Briefe und Landkarten, die aus den achtlos über die Stuhllehnen gehängten Ledertaschen quollen. Sie wischte die Truhen ab und fegte, wobei sie viel Staub aufwirbelte und ihr warm wurde.
Sie zog ihre Bluse aus und hängte sich eines der groben Männercapes über die sonnengebräunten Schultern. Es ging so ein berauschender Geruch nach Mann davon aus, selbst nach dem Lüften, dass sie fast in Ohnmacht fiel. Sie legte sich auf ein Feldbett, das Cape leicht zur Seite geschoben, und stellte sich vor, dass sie einschlief und die Männer zurückkehrten und den schönen flachen Streifen zwischen ihren seit kurzem sprieÃenden Brüsten sahen. Sie überlegte, ob sie sich schlafend stellen sollte. Doch sie wusste, dass sie das nicht tun würde. Unzufrieden mit den Möglichkeiten setzte sie sich auf und streckte die Hand nach dem nächstbesten Ding aus â es war zufällig der Besen â, um an irgendetwas ihren Ãrger auszulassen.
Der Besen stand auÃer Reichweite, machte jedoch einen kleinen Ruck auf sie zu. Er glitt von selbst über den Boden. Sie sah es. Der Besen war magisch.
Sie berührte ihn ängstlich, als ahnte sie in ihm einen eigenen Willen. Er fühlte sich nicht anders an als ein gewöhnlicher Besen. Er bewegte sich lediglich, wie geführt von der Hand eines unsichtbaren Geistes. »Von welchem Baum wurdest du geschnitten, auf welchem Feld gemäht?«, fragte sie ihn beinahe zärtlich, doch sie erwartete keine Antwort und erhielt auch keine. Der Besen zitterte und erhob sich wie wartend ein Stückchen über den Boden.
An dem Cape war eine Kapuze, und die zog sie sich über den Kopf. Dann hob sie ihren
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