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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Verlangen deutlich zu machen. Dann wies es zum Tor, das vom Küchengarten und dem Hühnerhof auf die Straße führte.
    Am Torpfosten lehnte schüchtern ein hungrig aussehender Mann mit der Hautfarbe von Rosen in der Abenddämmerung: ein dunkles, fast schwärzliches Rot. Er hatte zwei Ledertaschen, eine über der Schulter und eine auf dem Rücken, einen Wanderstock und ein gefährlich attraktives, ausgemergeltes Gesicht. Melena schrie auf, fing sich aber sogleich und wechselte in ein tieferes Register. Es war lange her, dass sie mit jemand anderem als einem quengelnden Kleinkind geredet hatte. »Lieber Himmel, haben Sie uns erschreckt!«, rief sie aus. »Hätten Sie gern was zum Frühstück?« Sie hatte die normalen Umgangsformen verlernt. Zum Beispiel sollten ihre Brüste ihn nicht so anstarren. Trotzdem schloss sie ihr Kleid nicht.
    Â»Bitte mögen verzeihen das plötzliche Auftauchen von fremdem Mann am Tor der gnädigen Frau«, sagte der Mann.
    Â»Schon verziehen, na klar«, sagte sie ungeduldig. »Kommen Sie rein, dass ich Sie anschauen kann – kommen Sie, kommen Sie!«
    Elphaba hatte in ihrem Leben so wenig andere Leute gesehen, dass sie ein Auge hinter ihrem Löffel versteckte und mit dem anderen lugte.
    Der Mann trat näher. Seine Bewegungen verrieten die Schwerfälligkeit der Erschöpfung. Er hatte kräftige Fesseln und dicke Füße, schmale Hüften und Schultern und dann wieder einen dicken Hals – als wäre er an einer Drehbank gefertigt und an den Enden nicht sorgfältig gearbeitet worden. Seine Hände, die jetzt die Umhängetaschen abnahmen, sahen aus wie Tiere mit einem eigenen Willen. Sie waren übergroß und wunderschön.
    Â»Wanderer weiß nicht, wo er sein mag«, sagte der Mann. »Zwei Nächte mag er gegangen sein von Krannenbach über die Berge. Das Wirtshaus in Drei Tote Bäume suchen. Zum Übernachten.«
    Â»Sie haben sich verlaufen, sind vom Weg abgekommen«, sagte Melena und beschloss, sich über seine seltsame Redeweise nicht zu wundern. »Na, egal. Ich mache Ihnen was zu essen, während Sie mir Ihre Geschichte erzählen.« Sie strich sich mit den Händen durch die Haare, die früher einmal als herrlich wie gesponnenes Messing gegolten hatten. Wenigstens waren sie sauber.
    Der Mann war geschmeidig und sehnig. Als er die Mütze abnahm, fielen seine Haare in fettigen Strähnen herunter, sonnenuntergangsrot. Er streifte sein Hemd ab und wusch sich an der Pumpe, und Melena fand es erfreulich, mal wieder einen Mann mit Taille zu sehen. (Der gute Frex hatte in den knapp anderthalb Jahren seit Elphabas Geburt ordentlich zugelegt.) Hatten alle Quadlinger diese wunderbare dunkelrote Farbe? Der Name des Mannes, erfuhr Melena, war Schildkrötenherz, und er war ein Glasbläser aus Huden im wenig bekannten Lande Quadlingen.
    Sie packte endlich ihre Brüste ein, wenn auch ungern. Elphaba quäkte, um loszukommen, und ohne eine Miene zu verziehen, schnallte der Besucher sie ab und warf sie in die Luft und fing sie wieder auf. Das Kind quietschte vor Überraschung, ja Vergnügen, und Schildkrötenherz machte es noch einmal. Melena nutzte seine Beschäftigung mit dem Gör aus, um die ungegessene Elritze vom Boden aufzuheben und abzuspülen. Sie klatschte den Fisch zwischen die Eier und den Teerwurzelbrei und hoffte, dass Elphaba nicht plötzlichzu sprechen anfing und sie bloßstellte. Das hätte dem Kind ähnlich gesehen.
    Doch Elphaba war von dem Mann zu bezaubert, um zu petzen oder zu klagen. Sie quengelte nicht einmal, als Schildkrötenherz schließlich an die Bank trat und sich zum Essen hinsetzte. Sie krabbelte zwischen seine glatten, haarlosen Waden (er hatte seine Gamaschen ausgezogen), und mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht summte sie eine Art Lied vor sich hin. Melena verspürte Eifersucht auf ein weibliches Wesen von noch nicht einmal zwei Jahren. Sie hätte selbst nichts dagegen gehabt, zwischen den Beinen von Schildkrötenherz zu sitzen.
    Â»Ich habe vorher noch nie einen Quadlinger kennengelernt«, sagte sie zu laut, zu munter. Sie hatte in den Monaten der Einsamkeit ihre Manieren vergessen. »Meine Familie hätte niemals Quadlinger zum Essen eingeladen – nicht dass es auf dem Land um unser Gut herum viele gegeben hätte, meines Wissens gar keine. Den Geschichten nach, die man zu hören bekam, sollen

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