Wicked - Die Hexen von Oz
Doch Galindas Familie hing weiter am ländlichen Gillikin mit seinen Fuchsjagden, seinen feuchten Tälern, seinen abgeschiedenen alten heidnischen Tempeln der Lurlina. Für sie war Shiz eine ferne groÃstädtische Bedrohung, und selbst die Bequemlichkeit von Bahnreisen hatte bisher keinen von ihnen dazu verlockt, sich den damit verbundenen Komplikationen, Aufregungen und Schlechtigkeiten auszusetzen.
Galinda sah nicht die grüne Welt hinter der Scheibe ihres Abteils, sondern nur ihr eigenes Spiegelbild. Sie hatte die Kurzsichtigkeit der Jugend. In ihren Augen war sie bedeutend, weil sie schön war, nur was sie bedeutete, und wem, war ihr noch nicht klar. Wenn sie den Kopf bewegte, schwangen ihre cremeblonden Ringellöckchen und funkelten wie blanke Münzen. Ihre makellosen vollen Lippen glichen der Knospe einer aufgehenden Mayablüte und waren genauso leuchtend rot. Ihr grünes Reisekleid mit den Einsatzstreifen aus ockergelbem Musset deutete Reichtum an, während ihr lässig über die Schultern drapiertes schwarzes Umhängetuch ein dezenter Hinweis auf ihre akademischen Ambitionen war. Sie war schlieÃlich auf dem Weg nach Shiz, weil sie gescheit war.
Doch es gab verschiedene Arten, gescheit zu sein.
Sie war siebzehn. Ganz Frottika hatte sie am Bahnhof verabschiedet. Das erste Mädchen aus dem Perther Bergland, das in Shiz studieren durfte! Sie hatte für die Aufnahmeprüfung eine gute Arbeit abgeliefert, eine Erörterung über »Ethische Lehren aus der Betrachtung der Natur« (»Verübeln es Blumen, wenn man sie pflückt? Ãbt der Regen Enthaltsamkeit? Können Tiere sich wirklich entscheiden, gut zu sein? Oder: Eine Moralphilosophie des Frühlings.«) Sie hatte ausführlich aus der Ozias zitiert, und ihr hymnischer Stil hatte den Prüfungsausschuss gewonnen. Ein dreijähriges Stipendium im Grattler-Kolleg. Es war keines der besseren Institute â die waren Studentinnen immer noch verwehrt. Doch es war die Akademie von Shiz.
Der andere Fahrgast in ihrem Abteil wachte auf, als der Schaffner durchkam, und streckte gähnend die Hinterbeine. »Wären Sie bitteso freundlich, meine Fahrkarte herunterzugeben, sie ist im Gepäckfach«, sagte er. Galinda stand auf und war sich beim Suchen der Fahrkarte deutlich bewusst, dass das bärtige alte Ekel ihre attraktive Figur beäugte. »Bitte schön«, sagte sie, und er antwortete: »Nicht mir, meine Liebe, dem Schaffner. Ohne opponierbare Daumen habe ich keine Chance, so ein winziges Stück Pappe zu greifen.«
Der Schaffner lochte die Fahrkarte und sagte: »Kommt selten vor, dass Viehzeug sich eine Fahrt erster Klasse leisten kann.«
»Ich verbitte mir die Bezeichnung âºViehzeugâ¹Â«, sagte der GeiÃbock. »Nach dem Gesetz darf ich erster Klasse fahren wie alle anderen auch, oder?«
»Geld ist Geld«, sagte der Schaffner, der es nicht böse gemeint hatte, lochte Galindas Fahrkarte und gab sie ihr zurück.
»Nein, Geld ist nicht Geld«, wiedersprach der GeiÃbock, »denn meine Fahrkarte hat doppelt so viel gekostet wie die der jungen Dame. In diesem Falle ist Geld ein Visum. Ich habe das Glück, es zu besitzen.«
»Und Sie fahren nach Shiz?«, sagte der Schaffner zu Galinda, ohne auf die Bemerkung des GeiÃbocks einzugehen. »Das sehe ich an ihrem Institutstuch.«
»Na ja, man muss sich beschäftigen«, sagte Galinda. Sie legte keinen Wert darauf, sich mit Schaffnern zu unterhalten. Doch als er seinen Weg durch den Wagen fortsetzte, stellte sie fest, dass der böse Blick, den der Bock ihr zuwarf, ihr noch weniger gefiel.
»Haben Sie vor, in Shiz etwas zu lernen?«, fragte er.
»Ich habe bereits gelernt, dass man sich von Fremden nicht ansprechen lässt.«
»Dann werde ich mich vorstellen, und wir sind uns nicht mehr fremd. Ich heiÃe Dillamond.«
»Ich möchte Ihre Bekanntschaft nicht machen.«
»Ich unterrichte in Shiz an der Akademie, an der Fakultät der biologischen Kunst.«
Du bist schäbig gekleidet, selbst für einen GeiÃbock, dachte Galinda. Geld ist nicht alles. »Dann muss ich meine natürliche Schüchternheit überwinden. Ich heiÃe Galinda. Ich stamme mütterlicherseits von den Arduennas ab.«
»Dann möchte ich Sie als Erster in Shiz willkommen heiÃen, Glinda. Ist es Ihr erstes Jahr?«
» Ga linda, bitte sehr. Die korrekte alte
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