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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Neuzugänge im Atrium. Die Kleidung der Rektorin zeichnete sich nicht durch das Blaustrumpfhafte aus, das Galinda bei einer Akademikerin erwartet hatte. Die imposante Frau war vielmehr in ein johannisbeerrotes Kleid mit wild versprengten schwarzen Jettaufnähern gewandet, die das Oberteil wie eine dynamische Notenschrift überzogen. »Ich bin Madame Akaber«, sagte sie zu Galinda. Ihr Stimmlage war Bass, ihr Händedruck wie ein Schraubstock, ihre Haltung militärisch, ihre Ohrringe wie Festbaumschmuck. »Ein bisschen Paradieren und Schwadronieren und eine rasche Tasse Tee im Salon. Dann versammeln wir uns im Großen Saal und teilen die Stubenkameradinnen ein.«
    Der Salon war voll von hübschen jungen Damen, alle in Grün oder Blau gekleidet und mit schwarzen Umhängetüchern, die ihnen über den Rücken hingen wie erschöpfte Schatten. Galinda war froh über die natürlichen Vorzüge ihrer flachsblonden Haare und stellte sich an ein Fenster, damit das Licht auf ihren Locken spielen konnte. Von dem Tee nippte sie kaum. In einem Nebenzimmer bedienten sich die mitgekommenen Muhmen aus einem Teekessel und lachten und schwatzten bereits, als ob sie alte Freundinnen aus demselben Dorf wären. Es war ein wenig grotesk, diese ganzen pummeligen Weiblein dabei zu beobachten, wie sie sich angrienten und mit Marktstimmen aufeinander einredeten.
    Galinda hatte das Kleingedruckte nicht genau gelesen. Es war ihr nicht klargewesen, dass sie sich ein Zimmer mit jemand teilen musste. Aber vielleicht hatten ihre Eltern ja einen Aufpreis bezahlt, damit sie ein eigenes Zimmer haben konnte? Und wo sollte Muhme Schnapp unterkommen? Wenn sie sich umschaute, sah sie, dass einige von diesen Dämchen aus Familien kamen, die deutlich reicher sein mussten als ihre. Wie sie mit Perlen und Diamanten behängt waren! Galindawar froh, dass sie sich für ein schlichtes Silberkollier mit Mettaniteinsätzen entschieden hatte. Es war ein wenig vulgär, schmuckbeladen auf Reisen zu gehen. Kaum war ihr diese Wahrheit aufgegangen, prägte sie einen Spruch daraus. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit würde sie ihn anbringen und damit beweisen, dass sie sich selbst eine Meinung bilden konnte – und reiseerfahren war. »Die übertrieben aufgeputzte Reisende verrät mehr Interesse daran, gesehen zu werden, als selber zu sehen«, murmelte sie versuchsweise. »Die wahre Reisende dagegen weiß, dass die unbekannte Welt um sie herum das schicklichste Accessoire abgibt.« Gut, sehr gut.
    Madame Akaber zählte die Köpfe ab, griff sich eine Tasse Tee und scheuchte alle in den Großen Saal. Dort musste Galinda erkennen, dass es ein schwerer Fehler gewesen war, Muhme Schnapp den Besuch beim Wundarzt zu gestatten. Das Geplapper unter den Muhmen war offenbar durchaus keine belanglose und oberflächliche Konversation gewesen. Sie hatten den Auftrag gehabt, untereinander abzuklären, welche jungen Damen zusammenziehen sollten. Man hatte den Muhmen zugetraut, das rascher und besser zu regeln als die Studentinnen selbst. Für Galinda hatte niemand gesprochen – sie war ohne Begleitung erschienen!
    Als nach dem kurzen Willkommensgruß die Studentinnen paarweise mit ihren Muhmen abzogen, um ihre Zimmer in Augenschein zu nehmen und sich einzurichten, wurde Galinda vor Verlegenheit immer blasser. Muhme Schnapp, die alte Zicke, hätte sie sicher mit einer verkuppelt, die gerade ein oder zwei Sprossen über ihr auf der gesellschaftlichen Stufenleiter stand. Tief genug, dass Galinda sich nicht geschämt hätte, und hoch genug, dass der Umgang sich gelohnt hätte. Jetzt aber waren alle besseren Partien vergeben. Diamant zu Diamant, Smaragd zu Smaragd, soweit sie sehen konnte. Während der Saal sich leerte, überlegte Galinda, ob sie nicht vorgehen, Madame Akaber unterbrechen und ihr das Problem darlegen sollte. Galinda war schließlich eine Arduenna zu Hochborn, wenigstens mütterlicherseits. Es war ein furchtbares Missgeschick. Tränen traten ihr in die Augen.
    Doch sie traute sich nicht. Sie blieb auf der Kante des dummen, zierlichen Stuhls sitzen. Außer ihr war in der Mitte des Saals niemand mehr übriggeblieben, nur noch an den Rändern, im Schatten die schüchterneren, unbedeutenderen Mädchen. Einzig und allein Galinda saß inmitten eines Hindernisparcours goldgelackter leerer Stühle wie bestellt und nicht abgeholt.
    Â»Die Übrigen

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