Wicked - Die Hexen von Oz
gillikinesische Aussprache, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Sie konnte sich nicht überwinden, ihn mit »gnädiger Herr« anzusprechen. Nicht bei diesem grässlichen Ziegenbart und der schmuddeligen Weste, die aussah wie aus einem Wirtshausteppich herausgeschnitten.
»Ich wüsste gern, was Sie von den Reisebeschränkungen halten, die der Zauberer plant.« Die Augen des Bocks waren gefühlvoll, warm â und beängstigend. Galinda hatte noch nie von irgendwelchen Reisebeschränkungen gehört. Das sagte sie ihm. Dillamond â oder Doktor Dillamond? â legte ihr dar, dass der Zauberer daran dachte, Tieren das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur in eigens ausgewiesenen Abteilen zu gestatten. Galinda erwiderte, Tiere hätten doch immer eine Sonderbehandlung genossen. »Nein, ich spreche von Tieren «, sagte Dillamond. »Von denen, die Verstand haben.«
»Ach, die«, sagte Galinda schnippisch. »Ich weià nicht, wo da das Problem liegen soll.«
»Ts, ts«, machte Dillamond. »Wirklich nicht?« Der Ziegenbart zitterte; er ärgerte sich. Er fing an, sie wortreich über die Rechte der Tiere zu belehren. Schon jetzt könne sich seine alte Mutter eine Fahrt erster Klasse nicht leisten und müsse in einem Viehwaggon fahren, wenn sie ihn in Shiz besuchen wolle. Wenn die vom Zauberer angekündigten Reisebeschränkungen die Bewilligungskammer passierten, wovon auszugehen sei, dann werde er selbst gesetzlich verpflichtet sein, auf die Privilegien zu verzichten, die er sich durch jahrelanges Studieren, Arbeiten und Sparen erworben habe. »Gehört sich das für ein vernünftiges Lebewesen?«, fragte er. »In einem Viehwaggon zu reisen?«
»Ich stimme Ihnen zu, Reisen ist ungemein bildend«, sagte Galinda. Sie verbrachten die restliche Fahrt einschlieÃlich des Umsteigens in Dixxi-Haus in frostigem Stillschweigen.
Als er sah, wie sehr der Bahnhof in Shiz sie mit seiner GröÃe und dem Gedränge erschreckte, hatte Dillamond ein Herz und erbot sich, ihr eine Kutsche zum Grattler-Kolleg zu besorgen. Sie bemühte sich, so wenig beschämt wie möglich dreinzuschauen, während sie ihm folgte. Ihr Gepäck, geschultert von zwei Trägern, kam hinterher.
Shiz! Sie musste aufpassen, dass sie nicht offenen Mundes staunte. All das geschäftige Treiben, das Lachen, Hasten und Küssen, das Ausweichen vor Kutschen, und dazu ringsherum am Eisenbahnplatz die Häuser aus Sandstein und Blaustein, mit Ranken und Moos bewachsen, die im Sonnenschein dampften. Die Tiere â und die Tiere ! Zu Hause in Frottika war sie höchstens einmal einem philosophisch dahergackernden Huhn begegnet â hier aber sah sie vier Zebras in einem StraÃencafé, auffällig gekleidet in Seide mit schwarzweiÃen Streifen diagonal zu ihrer natürlichen Musterung, einen auf den Hinterbeinen stehenden Elefanten, der den Verkehr regelte, einen Tiger in einer fremdartigen religiösen Tracht, eine Art Mönch oder so was. Ja, ja, es hieà Zebras und Elefant und Tiger und vermutlich Geissbock . Sie würde sich an die korrekte Aussprache und die eigentümliche Betonung gewöhnen müssen, sonst merkte man ihr die ländliche Herkunft an.
Zum Glück trieb Dillamond für sie eine Kutsche mit menschlichem Fahrer auf, nannte ihm das Grattler-Kolleg als Ziel und bezahlte ihn im Voraus, wofür Galinda sich ein schwaches Dankeslächeln abringen musste. »Unsere Wege werden sich wieder kreuzen«, sagte Dillamond galant, wenn auch kurz angebunden, als spräche er eine Weissagung aus, dann drehte er sich um, und die Kutsche fuhr ruckartig an. Galinda sank in die Polster zurück. Allmählich begann es ihr leid zu tun, dass Muhme Schnapp sich einen Nagel in den Fuà getreten hatte.
Das Grattler-Kolleg war nur zwanzig Minuten vom Eisenbahnplatz entfernt. Hinter seinen Blausteinmauern ragte das stattliche Gebäude mit seinen groÃen Spitzbogenfenstern empor. Allerlei BlendmaÃwerk wie Vierpässe und Vielpässe verzierte die Dachkanten. Architektur war Galindas heimliche Leidenschaft, und sie versuchte die Stile zu identifizieren, obgleich die Ranken und Moose viele der Bauornamente unkenntlich machten. Allzu rasch wurde sie hineingeführt.
Die Rektorin des Grattler-Kollegs, eine fischgesichtige Gillikinesin der Oberschicht mit vielen Cloisonnéreifen an den Armen, begrüÃte die
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