Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
Vom Netzwerk:
weit, sie ist nur nicht hier.«
    Â»Was zum Teufel willst du damit sagen«, schluchzte Ämmchen, »mit deinen Rätseln und deinen Spielen?«
    Schildkrötenherz drehte sich um. Frex war zurückgekommen, um einen Arm um ihn zu legen und ihn auf den Beinen zu halten, und Melena trat an seine andere Seite. Er knickte kurz ein, als wollte er ohnmächtig werden, und Melena stieß einen erschrockenen Schrei aus. Doch Schildkrötenherz fing sich wieder und setzte sich in Bewegung, und gemeinsam schritten sie auf den See zu.
    Â»Nicht zum See, das Mädchen kann Wasser nicht ausstehen, das wisst ihr doch«, rief Ämmchen, aber auch sie kam gelaufen, wobei sie mit dem Stock den Boden abklopfte, um nicht zu stolpern.
    Das ist das Ende, dachte Melena. Ihr Hirn war zu benebelt, um etwas anderes zu denken, und sie sagte es immer wieder, wie um zu verhindern, dass es sich bewahrheitete.
    Das ist der Anfang, dachte Frex, aber wovon?
    Â»Sie ist nicht weit, sie ist nur nicht hier«, wiederholte Schildkrötenherz.
    Â»Die Strafe für euer unzüchtiges Treiben, ihr falschen Lüstlinge«, sagte Ämmchen.
    Das Gelände fiel zum Ufer des stillen, weiter zurückgewichenen Sees hin ab. Der trockengefallene Bootssteg erhob sich erst fußhoch, dann hüfthoch und höher, wie eine Brücke ins Nichts.
    Im Schatten unter dem Steg sah man Augen.
    Â»Oh, liebe Lurlina«, wisperte Ämmchen.
    Elphaba saß dort mit dem Glasstück, das Schildkrötenherz gemacht hatte. Sie hielt es mit beiden Händen und starrte es mit einem Auge an, das andere zugekniffen.
    Vom Wasser gespiegeltes Sternenlicht, dachte Frex, hoffte Frex, doch er wusste, dass es kein Sternenlicht war, was das starre Auge beleuchtete.
    Â»Greuel«, murmelte Elphaba.
    Schildkrötenherz stürzte auf die Knie. »Sie sieht ihn kommen«, sagte er dumpf. »Sie sieht, wie er kommen mag, aus der Luft kommen mag, jetzt kommt er an. Ein Ballon vom Himmel, rot wie eine Blutblase, eine riesige rote Kugel, eine rubinrote Kugel: Er fällt vom Himmel. Der Regent ist gefallen. Das Haus Ozma ist gefallen. Die Uhr hat recht gehabt. Eine Minute vor dem Gericht.«
    Er kippte vornüber, beinahe in Elphabas kleinen Schoß. Sie schien ihn gar nicht zu bemerken. Hinter ihr ertönte ein leises Knurren. Es kam von einem Bergtiger – oder einem sonderbaren Mischwesen von Tiger und Drache – mit leuchtenden rotgelben Augen. Elphaba saß in seinen verschränkten Vorderbeinen wie auf einem Thron.
    Â»Greuel«, sagte sie abermals und blickte weiter mit einem Auge in das Glas, in dem ihre Eltern und Ämmchen nichts als Finsternis erkennen konnten. »Greuel.«

II
    GILLIKIN

Galinda
    1
    Â»Wittika, Settika, Wiccasande, Rotensande, Dixxi-Haus, in Dixxi-Haus umsteigen nach Shiz, Fahrgäste mit den östlichen Reisezielen Tenchingen, Broxheim und Truam bleiben bitte in diesem Zug sitzen«, der Schaffner holte kurz Luft, »in Kürze erreichen wir Wittika, nächste Station Wittika!«
    Galinda presste sich ihre Reisetasche an die Brust. Der alte Geißbock, der auf dem Sitz gegenüber fläzte, verschlief den Halt in Wittika. Sie war froh, dass das Zugfahren die Passagiere müde machte. Sie hatte keine Lust, ständig seinem Blick ausweichen zu müssen. Beim Einsteigen war ihre Wärterin Muhme Schnapp im letzten Moment in einen rostigen Nagel getreten, und weil sie Gesichtslähmung befürchtete, hatte sie um Erlaubnis gebeten, den nächsten Wundarzt aufzusuchen und sich Heilmittel und Beruhigungszauber geben zu lassen. »Ich komme gewiss auch allein nach Shiz«, hatte Galinda nur kühl erklärt. »Mach dir um mich keine Gedanken, Muhme Schnapp.« Und Muhme Schnapp hatte sich keine Gedanken gemacht. Galinda hoffte, sie würde eine geringe Lähmung der Mundpartie bekommen, bevor sie so weit wiederhergestellt war, dass sie in Shiz aufkreuzen und Galinda in ihrem Tun und Lassen beaufsichtigen konnte.
    Sie ihrerseits hatte, glaubte sie, einen festen Zug um den Mund, der die Langeweile der weltläufigen Bahnfahrerin andeutete. In Wirklichkeit war sie noch nie länger als eine Tagesfahrt mit der Kutsche von dem Marktstädtchen Frottika weggewesen, wo ihre Familie wohnte. Der Bau der Bahnlinie vor zehn Jahren hatte zur Folge gehabt, dass der Grund vieler alteingesessener Milchbauern in Landsitze für die Kaufleute und Fabrikanten von Shiz parzelliert worden war.

Weitere Kostenlose Bücher