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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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»Muhme Schnapp, tu, was ich dir sage! Ich bin immer noch deine Herrin, und du musst mir gehorchen! Hör jetzt auf diesen Zauberspruch und benimm dich!«
    Die Zähne der Muhme knirschten, die Augen rollten, und das wulstige Kinn ruckte, als wollte sie einen unsichtbaren Dämon in der Luft über dem Bett durchbohren. Glindas Augen schlossen sich, ihr Mund bewegte sich, und eine Silbenfolge, die nicht einmal sie selbst verstand, entfuhr ihren bleichen Lippen. »Ich hoffe nur, sie explodiert nicht wie meine Stulle«, murmelte Elphaba.
    Glinda achtete nicht darauf. Sie summte und brummte, sie schaukelte und keuchte. Muhme Schnapps geschlossene Lider zuckten so heftig, dass es aussah, als ob ihre Höhlen die eigenen Augäpfel kauten. »Magicordium senssus ovinda clenx«, schloss Glinda laut, »und wenn es das nicht tut, gebe ich auf. Dann helfen auch die Beschwörungen sämtlicher Zauberbücher nicht mehr.«
    Auf dem Strohlager sank Muhme Schnapp zurück. Aus beiden Augen lief ihr ein bisschen Blut. Doch das wilde Hin und Her der Augäpfel hatte aufgehört. »Ach, mein Schätzchen«, seufzte sie, »dann geht es dir also gut, oder bin ich schon tot?«
    Â»Noch nicht«, sagte Glinda. »Ja, liebe Muhme, ja, mir geht es gut. Aber du, fürchte ich, wirst uns verlassen.«
    Â»Gewiss werde ich das. Der Wind ist hier, hörst du nicht?«, sagte Muhme Schnapp. »Egal. Oh, da ist ja auch Elphie. Lebt wohl, meine Schätzchen. Haltet euch vom Wind fern, solange die Zeit nicht gekommen ist, sonst werdet ihr in die falsche Richtung geweht.«
    Â»Muhme Schnapp«, sagte Glinda, »ich muss dir etwas sagen. Ich muss dir beichten, dass –«
    Da beugte sich Elphaba vor, so dass sie Glinda vor dem Blick der Muhme verdeckte, und sagte: »Muhme Schnapp, bevor du uns verlässt, sage uns, wer Doktor Dillamond getötet hat.«
    Â»Das werdet ihr doch wissen«, antwortete Muhme Schnapp.
    Â»Gib uns Sicherheit«, sagte Elphaba.
    Â»Ich habe es gesehen, jedenfalls beinahe. Es war gerade geschehen, und das Messer lag noch da«, Muhme Schnapp rang nach Atem, »mit Blut beschmiert, das noch nicht getrocknet war.«
    Â»Was hast du gesehen? Das ist wichtig!«
    Â»Ich habe das Messer in der Luft gesehen. Ich habe gesehen, wie der Wind Doktor Dillamond holen kam. Ich habe gesehen, wie das Uhrwerk stehenblieb. Die Zeit des Geissbocks war abgelaufen.«
    Â»Es war Grommetik, stimmt’s?«, murmelte Elphaba. Sie wollte unbedingt, dass die alte Frau es aussprach.
    Â»Das sage ich doch, Schätzchen«, erklärte Muhme Schnapp.
    Â»Und hat er dich gesehen, ist er auf dich losgegangen?«, rief Glinda. »Bist du davon krank geworden, Muhme Schnapp?«
    Â»Meine Zeit war gekommen, krank zu werden«, sagte Muhme Schnapp gefasst, »da konnte ich mich nicht beklagen. Und jetzt ist meine Zeit zu sterben gekommen, also lass mich einfach. Halte mir nur die Hand, mein Liebes.«
    Â»Aber mich trifft die Schuld –«, begann Glinda.
    Â»Du würdest mir einen größeren Gefallen tun, wenn du still wärst, Galinda, mein Schätzchen«, sagte Muhme Schnapp sanft und tätschelte Glindas Hand. Dann schloss sie die Augen und atmete ein paarmal ein und aus. Ein Schweigen legte sich über alle, das eigentümlich dienerinnengillikinesisch wirkte, obwohl sich später niemand recht erklären konnte, warum. Draußen ging Madame Akaber auf den knarrenden Dielen hin und her. Sie bildeten sich ein, dass sie einen Wind hörten oder das Echo eines Windes, dann war Muhme Schnapp hinüber, und aus dem Winkel ihres erschlafften Mundes rann etwas menschlicher Speichel auf den allzu unterwürfigen Kissenbezug.
    6
    Die Beerdigung war denkbar formlos: ein paar gute Worte, Deckel zu, fertig. Glindas Freundeskreis füllte zwei Reihen, und dahinter saß eine Abordnung von Muhmen. Ansonsten war die Kirche leer.
    Nachdem die Tote in ihrem Leichentuch auf der gut eingefetteten Rutsche in den Verbrennungsofen geglitten war, begab sich die kleine Trauergemeinde in Madame Akabers Privatsalon, wo eine bescheidene Stärkung gereicht wurde, für die sich niemand in Unkosten gestürzt hatte. Der Tee war alt und schmeckte wie Sägemehl, die Kekse waren hart, und es gab weder Safransahne noch Tamornamarmelade. Glinda bemerkte tadelnd zu der Rektorin: »Nicht einmal ein Schälchen Sahne?«, und Madame Akaber antwortete:

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