Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
werden Sie ihn nicht mehr los.“ Charmant griff er nach meiner Hand und führte sie an seinen Mund.
Ein Handkuss? Hier? In der Bahn? Der musste verrückt geworden sein.
Na, was ist, Yvi? Ran an den Speck …
Ach Anni, für so etwas hatte ich doch gar keine Zeit, hatte ich doch alle Hände voll zu tun, um den Schwarm Honigbienen zu bändigen.
Versuch es mal mit Würde, lästerte Beelzebub . Was würde deine Dr. Thea von Grünberg jetzt sagen?
„Oh, natürlich, vielen Dank“, stotterte ich dem Bilderbuchmodel entgegen. „Können Sie den Kellner denn verstehen?“
„Er sprach vor Aufregung italienisch, meine Muttersprache. Aber nun lassen Sie uns das Malheur beseitigen, Signora !“ Damit zauberte er ein seidenes Tuch mit gesticktem Monogramm hervor, kippte etwas Mineralwasser darüber und reichte es mir mit den Worten: „Ein Tipp meiner Mutter, Signora: Klarem Wasser kann kein Kaffeefleck widerstehen, zumindest nicht bei uns in Italien. Darf ich es versuchen?“
Mein Verstand zerfloss zu einem Klecks Sahne und die Knie zu Buttertoffees - die Jagd war eröffnet.
Wer sagt denn, dass du die Beute sein musst, Yvi?
Ich lehnte das verlockende Angebot dankend ab (dafür schuldete ich Anni eine Flasche Champagner!), leerte die halbe Flasche Evian über den Rocksaum und verschwand in den Speisewagen. Dabei hätte ich zu gern zugesehen, wie diese zart gebräunten, langen Finger sich den Rocksaum entlang …
Frau Dr. von Grünberg konnte dieses Angebot natürlich nicht annehmen, und so lehnte ich dankend ab und ging zurück zu meinen Recherchen. Schade!!!
Um ein großes Frühstück und viele Erfahrungen reicher erreichte ich wenig später den Frankfurter Bahnhof und sah mich prompt dem nächsten Problem gegenüber: Wie fuhr man standesgemäß zu einem Verlagstermin? Per Straßenbahn, Bus oder Taxi?
Angesichts der Massen, die vom Bahnhof in Richtung Straßenbahn strömten, entschied ich mich, ihnen einfach zu folgen. Die Belegschaft eines Verlages würde sich wohl kaum die Nasen am Fenster platt drücken, nur um eine unbekannte Autorin mit einem von im Namen aus dem Taxi steigen zu sehen. Hoffentlich!
Ich fuhr mit der Linie 16 in Richtung Bockenheim und zählte die Haltestellen. Adalbertstraße, na endlich. Ab hier waren es nur noch zwei Straßen bis zu meinem Ziel.
Ehrlich gesagt hatte ich mir die Große Seestraße anders vorgestellt, größer und irgendwie edler. Verlegen suchte ich die umliegenden Häuser nach einem Verlag ab, aber das Haus, vor dem ich schließlich hielt, sah aus wie ein ganz normales Wohnhaus.
Nicht mal Neubau!, maulte Beelzebub. Ist das überhaupt ein richtiger Verlag? Oder bist du auf eine Briefkastenfirma reingefallen?
Nein, war ich nicht: Neben den Türklingeln gab es eine Din-A-4-große Tafel mit dem Schriftzug: PEPITA Frauenmagazin – 3. Etage
Brust raus, Bauch rein und zeig, was du kannst!
Yes, Ma’am!
In der dritten Etage prangte endlich ein angemessen großes Schild neben der Tür. Die war weiß gestrichen und hatte im oberen Drittel eine Milchglasscheibe, hinter der ich Schatten emsiger Mitarbeiter vorbeihuschen sah. Auf mein Klingeln hin öffnete ein junger Mann und begrüßte mich freundlich.
„Sie müssen Frau Dr. von Grünberg sein, richtig?“ Er lächelte verbindlich und schüttelte meine Hand – ich wurde tatsächlich erwartet!
Jetzt bloß nicht vor allen Augen in die Supermarktkassiererin Yvonne Becker zurück verwandeln!
„Ja, Thea von Grünberg, guten Morgen. Ich habe einen Termin mit Frau Calotti für elf Uhr.“ Zum Glück hatte ich diesen Satz mindestens hundert Mal geübt, so kam er ohne Stottern über meine Lippen.
Der junge Mann lächelte und stellte sich mit einem Namen vor, den ich mir unmöglich merken konnte. Er führte mich zu einer kleinen, weiß gehaltenen Sitzgruppe am Ende des Flures, wo drei Rattansessel mit baumwollbezogenen Sitzbezügen und ein kleiner Tisch zum Warten einluden.
„Es tut mir leid, Frau von Grünberg, Andrea ist noch in einer Besprechung, wird aber bald zurück erwartet. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit einen Kaffee anbieten? Oder ein Glas Mineralwasser?“
„Im Moment nicht, vielen Dank.“ Bloß nicht noch eine Auszeit auf der Toilette!
Der junge Mann verabschiedete sich höflich und verschwand hinter der nächsten Tür. Das gab mir Gelegenheit, mich umzusehen: Die Sitzgruppe befand sich in einem langen, ebenfalls weiß gestrichenen und durch zwei Oberlichter erhellten Flur. Zusätzliches Licht kam durch
Weitere Kostenlose Bücher