Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
wenn sie deswegen Pleite gehen. Ich halt das einfach nicht mehr aus.“
Im Wohnzimmer polterte ein Stuhl, dann sauste Svenja um die Ecke und warf sich mit einem Aufschrei in Saschas Arme. Weder meine Anwesenheit noch die von Lotta oder die Tatsache, dass ihr eigenes Hemd in wenigen Sekunden ebenfalls klatschnass war, konnte die beiden von einem Kuss abhalten. Einem sehr, sehr innigen Kuss!
Schließlich lösten sie sich doch voneinander und umschlangen sich nur noch mit Blicken.
„Natürlich kannst du hier schlafen“, sagte Svenja sofort, „in meinem Zimmer ist noch jede Menge Platz. Mama, holst du die Gästematratze?“
Ergeben machte ich mich auf den Weg.
„Hallo Sascha“, grüßte auch Lotta aus dem Wohnzimmer. „Wie lange wirst du bleiben?“
„Nun, ich dachte … eigentlich ... na ja, wenigstens mal für eine Weile. Wenn es euch nichts ausmacht natürlich.“
Ich stolperte, fing mich aber schnell wieder und hastete hoch. „Kommt das nicht ein bisschen plötzlich? Sind deine Eltern nicht verletzt, wenn du einfach so ausziehst?“
„Ach die!“ Saschas Handbewegung ließ das Ausmaß seines Unglücks ahnen. „Als wenn es die interessiert, was ich mache oder wo ich bin. Denen ist doch nur ihr blödes Geschäft wichtig und was die Leute denken.“ Dann wies er auf uns. „Bei euch ist das anders, Yvi. Da darf man traurig sein und dann wieder lachen und Angst vor der Zukunft haben oder sich auch mal darauf freuen. Irgendwie weiß man hier, dass alles wieder gut wird. Das fühlt sich einfach besser an als zu Hause, deshalb würde ich gern bleiben.“
Das auch noch! Nicht genug, dass ich ab Herbst allein mit Kind und Enkel (was für ein großes Wort für so ein winziges Wesen!) sein würde, jetzt sollte ich auch noch auf einen weiteren pubertierenden Jugendlichen achten. Als wenn die täglichen Auseinandersetzungen mit Svenja nicht anstrengend genug wären. Zugegeben, unsere Streitereien waren seit Kims Geburt in den Hintergrund getreten, aber der Alltag würde uns schnell genug wieder einholen.
„Nun sag ihm schon, dass er bleiben darf, wenigstens heute Nacht“, mahnte Lotta und reichte Sascha ihre Lieblingsjacke. Russisch-grünes Mohair, selbst gestrickt, er musste echt einen Stein im Brett haben!
„Natürlich kannst du bleiben“, beruhigte ich den noch immer bibbernden Jungen. „Jetzt zieh dir erst mal etwas an und trink einen Tee, der Rest kann warten. Aber deine Eltern sollten Bescheid wissen, sonst machen sie sich Sorgen.“
Und wir kriegen einen Heidenärger , unkte Beelzebub.
Sascha schrieb also eine Nachricht auf Mareikes Handy, griff dann nach dem Handtuch, rubbelte seine Haare trocken und wickelte sich grunzend in Lottas Jacke. „Schön warm“, murmelte er und strich mit der Hand über die weiche Wolle.
„Kratzt das nicht?“ – Svenjas Stimme klang verdächtig nach Eifersucht.
„Ist nicht so weich wie du“, gab er brav zurück, woraufhin Svenja sich versöhnt an ihn schmiegte und uns andere Erdenbürger einfach ausblendete.
Lotta verabschiedete sich ebenfalls. Ich holte unser Gästebett aus dem Keller und legte Svenjas Schlafsack und das Sofakissen darauf. Im Badezimmer fand sich noch eine frische Zahnbürste.
Tausendmal berührt ...
Nein! Annis gute Ratschläge in allen Ehren, aber ich würde mich nicht zum Affen machen, indem ich auf getrennten Schlafzimmern bestand. Sollten sie diese Nacht genießen, auch ihnen saß der Schock um Kims plötzliche Geburt noch in den Gliedern.
Hoffentlich.
Nachdem Kim bettfertig gemacht und zusammen mit den beiden Turteltauben in Svenjas Zimmer verschwunden war, griff ich zum Telefon.
„Ach du bist es, Yvi.“ Mareike wirkte verstimmt. „Hab mich schon gewundert, warum keiner anruft und ich nur so eine nichtssagende SMS bekomme.“
„Was ist los? Hast du Ärger?“
„Ach, dieser Junge bringt mich noch um den Verstand!“ Ich konnte hören, wie sie nervös an der Zigarette sog.
„Es ist später geworden als geplant, da haben wir Sascha vorgeschlagen, heute Nacht hier zu bleiben. Ich kann ihn morgen früh zur Schule fahren.“
„Und seine Schulsachen?“
„Die hat er mit.“ Ich hoffte inständig, dass ich diese kleine Notlüge nie bereuen würde. „Ich glaube, wir sollten reden.“
„Worüber du reden willst kann ich mir denken“, fauchte Mareike, und ich war froh, ihr jetzt nicht gegenüber zu sitzen. „Wenn es um das Geld geht, das wird schon rechtzeitig kommen.“
„Was für Geld?“
„Was für Geld schon.
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