Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
Seite. Oh je!
Ich ließ einen Schrei los, verschluckte mich daran und musste husten. Lotta folgte meinem ausgestreckten Finger und wusste Bescheid. Sie klatschte in die Hände, sprang von der Leiter, faltete das Teil mit gekonnten Handgriffen zusammen und stopfte es in die Kammer. Dann rauschte sie zu dem extra für heute ausgeliehenen Rollstuhl im Schlafzimmer, schließlich gab sie die pflegebedürftige Schwiegermutter. Sascha verzog sich mit Kim auf den Dachboden. Svenja wuselte in erstaunlichem Tempo durch die Wohnung und sammelte alles ein, was falsch lag: Werkzeug, Bastelmaterialien, Gummistiefel – wer zum Teufel hatte Gummistiefel mitgebracht? Robert flitzte zur Garderobe und schmiss sich in seinen geliehenen Armani-Anzug. Anni drohte den Zwillingen mit erhobenem Zeigefinger, erinnerte sie an die versprochene Playstation und band sich eine weiße Schütze aus der Verkleidekiste um. Ich selbst trank einen Schluck Wasser, um den trockenen Mund zu beruhigen, stopfte die Haare unter einen zartgelben Seidenschal, um mein Konterfei bestmöglich zu verfremden, als es auch schon klingelte.
Dreimal tief durchatmen, dann öffnest du das Tor des Erfolgs!, munterte Thea mich auf.
Dreimal tief durchatmen und du wanderst in den Knast , hielt Beelzebub dagegen.
Ich versuchte, nicht zuzuhören, und öffnete die Tür. „Andrea, schön dass Sie da sind.“ Ich reichte ihm die Hand und registrierte bebend, wie mein Körper darauf reagierte. Mit der anderen Hand wies ich seinem Team den Weg durch Lottas Flur, der aufgeräumt und mit frisch erstandenen Kunstdrucken bestückt seltsam fremd wirkte. Robert, verantwortlich für diesen Teil der Aktion Haus, hatte ganze Arbeit geleistet, vielleicht konnte der Bluff ja doch gelingen.
Wortlos sahen wir zu, wie Beleuchter, Techniker, Fotografen und weitere Helfer unsere mühsam geschaffte Ordnung in Kabelsalat verwandelten. Lichter wurden an- und wieder aus geschaltet, Rollos auf- und zugezogen, Türen geöffnet und wieder geschlossen, um die optimalen Lichtverhältnisse zu schaffen. Lottas Möbel wurden umgestellt, Bilder getauscht und die Blumen kurzerhand vom Fenster in den Garten verfrachtet. Stattdessen stellte Andreas junge und unverschämt hübsche Assistentin einen Strauß bunter Frühlingsblumen in einer extra dafür mitgebrachten Jugendstil-Vase mitten auf den Tisch.
„Einmal Foto-Shooting ist wie umgezogen“, stellte sie sachlich fest. Wie wahr!
Annis Zwillinge fanden das Durcheinander fantastisch, fragten den Technikern Löcher in den Bauch und fachsimpelten mit den Fotografen. Robert hatte sich an Andrea gehängt, den er für das Alpha-Männchen hielt, von dem er sich einen Karriere-Kick erhoffte. Er sparte nicht mit Anspielungen und musste mehrfach daran erinnert werden, dass er in diesem Stück lediglich den rundum versorgten Ehegatten zu spielen hatte, sonst nichts. Er verdrehte jedes Mal die Augen – was für eine Verschwendung!
Kaum war alles vorbereitet, klingelte es wieder. Und zwar so laut und anhaltend, dass Kim aufwachte und zu schreien begann, man konnte es im ganzen Haus hören. Prompt fragte Andrea, wo denn der Familienzuwachs bliebe, natürlich sollte das Kindermädchen samt Anhang dabei sein. Anni schnappte sich ihre Buben, die sie jetzt um nichts in der Welt aus den Augen gelassen hätte, und versprach, ihre Tochter samt Anhang zu holen.
Andrea rieb sich die Hände. Dr. Thea von Grünberg, erfolgreiche Powerfrau mit Herz und Privatleben, inmitten einer Großfamilie im Panorama-Format, es konnte kaum besser laufen. „Die Leserinnen werden es lieben“, raunte er. „Sie werden Sie lieben, Signora Thea!“
Robert wollte die Unterbrechung für eine weitere Fachsimpelei über Theater und Film nutzen, als eine große, Respektfordernden Gestalt in perfekt sitzendem Anzug den Raum betrat. „Aufhören!“, sagte er ruhig, aber bestimmt und alle wandten sich ihm zu.
Roberts Lächeln gefror. Hoffentlich sagte er jetzt nichts Falsches! Doch wie immer, wenn er spielen durfte, spielte er brillant.
„Darf ich vorstellen, Herr Calotti? Falk Wunderland, Anwalt der Familie von Grünberg!“ Den Freund ließ er natürlich aus.
„Woher weiß er das?“, flüsterte ich.
„Von Lotta“, hauchte Anni zurück.
Robert, ganz Hausherr, reichte dem verblüfften Rivalen die Hand. „Tut mir leid, Herr Wunderland, aber heute passt es leider nicht. Wir sind gerade mitten in einer für meine Frau äußerst wichtigen Fotoreportage!“
Meine Frau – das ging ihm ein
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