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Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Titel: Wickelblues & Wimperntusche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Wolff
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Pflichten.“
    „Aber warum so weit weg? Warum nicht Köln, das ist doch auch eine Weltstadt, mit Uni und Dom und allem, was dazu gehört. Oder Essen oder Düsseldorf … Warum ausgerechnet Berlin?“
    „Weil ich diese Stadt liebe, Yvonne! Auch wenn ich damals heilfroh war, als du dich endlich entschieden hattest, deinen Träumen den Rücken zu kehren und hier ein Leben als allein erziehende Mutter zu führen. Manchmal ist einfach alles besser, als zusammen mit einem unzuverlässigen Partner durchs Leben zu stolpern.“
    „Ach! Und warum versuchst du seitdem, mich wieder mit Robert zu verkuppeln?“
    „Es ist ja wohl offensichtlich, dass du alleine nicht zurechtkommst. Als mir klar wurde, dass ich im Alter auf keinen Fall hier festsitzen sondern noch einmal durchstarten will, habe ich begonnen, mich auf dem Wohnungsmarkt umzusehen. Dank Internet fand ich schnell ein passendes Objekt, in dem alte und junge Menschen zusammen leben. Leben, Yvonne, nicht nur wohnen, verstehst du?“
    Ich saß mit offenem Mund am Tisch und schnappte nach Luft. „Und was wird mit Kim?“
    „Tut mir leid, aber das zu beantworten ist deine Aufgabe. Ich habe meinen Part erfüllt, mehr als das, und es ist nun an der Zeit, mir meine eigene Scheibe vom Leben abzuschneiden. Eine große Scheibe!“
    Lotta ist eben eine Frau, die Entscheidungen trifft, statt ihr Leben von anderen entscheiden zu lassen, dozierte Thea. Als wenn ich das nicht selber wüsste!
„Und Svenja?“
    Die meldete sich prompt aus dem Badezimmer. „Ich weiß es schon seit einem halben Jahr, Mama. Ich sagte dir ja, dass sie anderes vor hat als auf Kim und mich aufzupassen.“
    „Aber schon im Herbst? So bald?“
    Lotta griff meine Hand und hielt sie fest. „Zugegeben, als ich von Kim erfuhr, habe ich kurz überlegt, alles wieder abzublasen und dir erneut unter die Arme zu greifen. Aber dann war ich sicher, dass ihr das auch ohne mich hinkriegt. Immerhin hast du ein halbes Jahr Zeit, um alles zu organisieren.“
    Ich streckte trotzig das Kinn vor und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. „Dann ist Robert also dein Abschiedsgeschenk? Eine Versicherung für den Fall, dass ich auf ganzer Linie versage?“
    „Nenn es, wie du willst, ich finde einfach, dass er auch seinen Teil beisteuern sollte. Außerdem hat er sich in den vergangenen Jahren verändert. Lass dir helfen, Yvonne, du musst nicht alles alleine machen.“
    „Ausgerechnet Robert“, grummelte ich und fühlte mich wie eine Siedewurst im Wasser, der gleich die Pelle reißt.
    Erinnerungen und Gefühle tauchten auf und spielten verrückt. Lotta würde weggehen, endgültig. Kein Ventil mehr für Svenjas ausgeflippte Pubertätsprobleme, kein Babysitter für Kim, kein Notnagel für vergessene Einkäufe oder überfällige Rechnungen, kein Mülleimer für Herzschmerz und andere Katastrophen. Ich war allein. Zum ersten Mal in meinem Leben.
    Abrupt stand ich auf und warf dabei den Stapel Spielkarten um. „Ich kann jetzt nicht weiter reden. Lass mir drei Tage, Lotta, dann habe ich einen Plan. Jetzt geh ich ins Bett und heule.“
    Da niemand protestierte, drehte ich mich um und marschierte in Richtung Schlafzimmer. Als die Türklingel schrillte überlegte ich tatsächlich, einfach zu verschwinden, mein Zimmer abzuschließen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Doch dann siegte die Neugier: Wer wohl um diese Zeit und bei strömendem Regen hier klingelte? Hoffentlich nicht wieder ein Blumenbote!
    So in Gedanken versunken öffnete ich die Tür. Es dauerte eine Weile, bevor meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und die pudelnasse Gestalt erkannten.
    „Sascha? Was machst du denn hier?“
    Der schlaksige Junge mit dem markanten Kinn und deutlichen Spuren einer frischen Rasur an den Wangen hielt die Hände vor die Brust und zitterte. Die giftgrünen Haare klebten in Gesicht und Nacken und hinterließen hauchzarte pastellfarbene Spuren auf dem nassen T-Shirt.
    „Kann ich bei euch schlafen?“, bibberte er.
    Ich riss die Tür auf. „Komm rein, da draußen holst du dir ja den Tod!“ Fürsorglich zog ich die tropfende Gestalt in den Flur und bemerkte erst jetzt die prall gefüllte, neongelbe Sporttasche und den Rucksack.
    „Was ist das?“
    Er stöhnte. „Meine Mutter macht mich fertig mit ihrem ewigen Gezeter von wegen Leben versaut und Hättest eben aufpassen sollen. Ständig liegt sie mir in den Ohren, dass ich jetzt Unterhalt zahlen muss und sie mit ihrem Geschäft dafür haften und dass ich Schuld hab,

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