Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

bisschen Zeit, um mich zurechtzufinden, und ein Plan. Stattdessen kamen und gingen die Menschen, wie sie wollten. Robert zum Beispiel, der sich anscheinend vorgenommen hatte, mich mit seiner Gegenwart zu ärgern. Oder Sascha, der in seiner Verzweiflung zu uns gekommen war und die kleine, unvollkommene Familie damit von einem chaotischen Haufen ohne Zukunft zu einer Zuflucht in besonderen Lebenslagen geadelt hatte.
    Zuflucht in allen Lebenslagen – hörte sich gut an. Nach Vertrauen und Hoffnung und letztlich doch noch alles richtig gemacht haben, irgendwie.
    Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich ein und träumte von einem äußerst kitschigen Weihnachtsfest inmitten meiner Lieben: Lotta (von wegen Berlin!), Svenja mit Mann (!) und Kind, Robert und Andrea und Falk ...
    Moment, dachte ich im Halbschlaf, was hatten die friedlich vereint in meinem Traum zu suchen?
    Jemand murmelte Schlaf weiter, Yvi! , und ich fügte mich. Sollte doch kommen, wer wollte, ich würde mir meine Laune nicht verderben lassen, von niemandem. Und am allerwenigsten von Robert.
    Jawohl!
     

10
     
     
    Der Freitag verging wie im Flug: Erst Sascha zum Bus fahren und weiter zur Frühschicht bei KESKO, danach Treffen in Lottas Haus, um es in eine Villa umzudekorieren, die einer Frau Dr. von Grünberg würdig war. Oder was die einzelnen Mitglieder des Einsatzkommandos dafür hielten: Lotta, derzeit auf dem Höhepunkt ihrer Grünphase, war nur schwer davon abzubringen, einen japanischen Sichtschutz aus heugrünen Bambusfasern anzubringen. Robert hatte es sich in den Kopf gesetzt, meinen Stil zu verbessern, und rannte die ganze Zeit mit einem Benimm-Buch hinter mir her. Sascha wollte ebenfalls helfen und suchte nach einem Raum, in dem er mit Kim die aufregenden Drehstunden unbemerkt verbringen konnte.
    Ich selbst hatte mich mit dem Telefon auf dem Dachboden eingeschlossen und ließ mir via Handy von Falk Tipps geben. Andrea war verführerisch und aufregend, aber in Vertrags- oder Geldfragen traute ich ihm nicht. Falk, ganz Anwalt, hätte am liebsten alles stehen- und liegen lassen und einen Vertrag aufgesetzt, der sich gewaschen hatte, und ich konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten, den Dreh mit seinen Paragrafen und Auslegungsbestimmungen platzen zu lassen. Bestimmt hätte er Andrea erst verblüfft, dann verärgert und letztlich vertrieben. Wäre ihm zuzutrauen, diesem verdammt attraktiven Mittvierziger mit erstem Grau im Haar und einem Körper, der jeden Schauspieler vor Neid erblassen lies. Beneidenswert!
    Also doch ein tapferer Ritter an deiner Seite? Denk wenigstens mal darüber nach, wie es mit ihm sein könnte.
    Falk in ein und derselben Arena mit Robert und Andrea? Nein danke, das wollte ich mir nicht geben, und so musste er leider draußen bleiben.
    Am Ende des Tages glich alles einem heillosen Durcheinander und ich war froh, ins Bett gehen und die Augen schließen zu können. Wenn doch nur dieser unleidige Samstag endlich vorbei wäre und ich wüsste, ob Thea noch eine Rolle in meinem Leben spielte oder Beelzebub sich schadenfroh die Hände rieb und Falk sein ganzes Können aufbieten musste, um mich aus dem Knast zu holen. Was sollte dann aus Svenja und Kim werden? Von Sascha ganz zu schweigen, der sich in unserer kleinen Familie wohl zu fühlen begann.
    Und was sollte dann aus mir werden? Welcher Mann mit halbwegs gesundem Menschenverstand würde mich noch ansehen, wenn ich als Betrügerin entlarvt war? Eine, die Tausende von Frauen bewusst hinters Licht geführt und sich für jemanden ausgegeben hatte, der sie nie sein würde?
     
    Samstagmorgen, zehn vor zehn, eine Stunde bis Drehbeginn. Ich blickte nervös zu Lotta, die auf einer Klappleiter stand und letzte Hand an ihre neuen Gardinen legte. Sie hatte sich durchgesetzt, auch wenn ich das Schlimmste verhüten und sie zu transparenten Raffrollos statt japanischen Schiebegardinen überreden konnte. Unterschiedlich hoch gehängt, gaben sie sogar einen hübschen Rahmen für die Blumenbank ab. Selbst Sascha hatte seine Hilfe angeboten, durfte aber nur die Leiter halten und mit der anderen Hand die Tragetasche hin- und her schaukeln, in der Kim ihr Nickerchen hielt. Wie ich sie beneidete um diese Fähigkeit, immer und überall zu schlafen!
    Wieder warf ich einen Blick auf die Straße, auf der noch immer alles in Ordnung war. Oder vielleicht doch nicht? Ein weißer Lieferwagen rauschte heran und hielt vor dem Haus, dann ein zweiter, beide unverkennbar mit dem PEPITA-Schriftzug auf der