Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
ihre Karten offen auf den Tisch. „Eine Bildkarte noch und ich hätte ... oh, 23 Punkte. Tschuldigung!“
Lotta nickte. „Du gibst.“
Svenja mischte die Karten, ein neues Spiel begann. Anscheinend hatten die beiden meine Anwesenheit schon wieder vergessen.
Besser so als ein Empfang mit Heulen und Klagen, dachte ich, ging zurück in den Flur und hängte meine nassen Sachen an die Garderobe.
„Hat dieser Lichtersegen hier eine besondere Bewandtnis oder kann ich die Kerzen wieder ausblasen?“
„Wehe! Hast du eine Ahnung wie lange ich gebraucht habe, um die alle anzuzünden?“ Svenja blickte nicht mal von ihren Karten auf. „Die sind für nachher.“
„Aha.“
Da auch Lotta sich nicht erklärte, ging ich davon aus, dass es sich bei dem Geheimnis um nichts Gefährliches oder Ungesetzliches handeln konnte, und ich auch durch noch so viel Drängeln nicht mehr erfahren würde. Also entschied ich mich dafür, die eigenen Neuigkeiten loszuwerden.
„Wir haben ein Reisebettchen!“
„Wofür?“ Svenja zog eine Karte, schrie auf und donnerte ihre ganze Sammlung auf den Tisch. „Ha, diesmal hab ich aber gewonnen!“
Lotta zählte kurz nach und grinste. „Irrtum!“
Während die beiden sich darum stritten, wie viele Punkte man für einen Buben bekam, schob ich mit dem Fuß die Teelichter soweit an die Wand, dass ich Frau Sanders sperriges Präsent hindurch schieben konnte, ohne es anzuzünden.
„Wohin willst du mit dem Bett?“, fragte Lotta und verteilte den nächsten Satz Karten.
„Erst einmal zu dir, dachte ich. Kimmie sollte sich möglichst früh daran gewöhnen, bei dir zu schlafen, da wäre das doch praktisch.“
„Schön, dass du dir meinen Kopf zerbrichst.“
Nicht wirklich das, was ich erwartet hatte. Was war nur in die beiden gefahren?
„Du sagst, Robert ist wieder in London?“
„Mhmm.“ Die beiden Kartenspielerinnen nickten einvernehmlich mit dem Kopf.
„Und wann kommt er wieder?“
„Morgen Mittag. Dann bringt er einen Teil seiner Klamotten mit, ohne die kann er ja wohl kaum nach einem Job suchen.“
„Robert und arbeiten?“ Ich lachte kurz, obwohl genau das meiner eigenen Vorstellung von Zukunft ziemlich nahe kam.
„Nicht arbeiten“, korrigierte Lotta. „Robert sucht nach einem Engagement .“
„Selbstverwirklichung“, erklärte Svenja.
„Klar, das ist natürlich etwas anderes. Meiner Meinung nach sollte er sich lieber nach etwas umsehen, das Geld bringt, damit könnte er sich zur Abwechslung mal nützlich machen.“ Erst dann erreichte der Rest von Lottas Informationen mein Bewusstsein. „Robert kommt wieder? Und wo soll er wohnen?“
„Bei mir.“ Noch immer sah sie mich nicht an.
„Na ja, wenn du meinst ...“ Mühsam unterdrückte ich einen Kommentar. „Hast du denn Platz?“
„Noch nicht, aber bald“, platzte Svenja heraus. Was für ein Geheimnis es auch war, sie konnte es keine Sekunde länger für sich behalten. „Robert zieht bei Lotta ein, Mama.“
„Schon klar. Aber warum auf einmal?“
„Weil Lotta auszieht. Nach Berlin. Im Herbst.“
Ich stand da wie vom Blitz getroffen. „Berlin?“ In Gedanken sah ich die Lotta aus früheren Zeiten vor mir, die Svenjas Aufsicht übernommen hatte, damit ich weiter studieren konnte. „Was willst du denn da?“
„Wohnen natürlich, was denn sonst? Berlin ist eine tolle Stadt, damals wie heute.“ Jetzt endlich stand Lotta auf und drückte mich, sprachlos wie ich war, in den Sessel. „Also gut, dann warten wir eben nicht bis nachher sondern machen gleich reinen Tisch.“
Kim schrie im Nebenzimmer, und Lotta schickte Svenja zum Wickeln. Die ging erstaunlich widerspruchslos, dann waren wir zwei allein.
„Ist das dein Ernst? Du lässt mich hier sitzen mit einem Baby und einem Teenager? Das glaub ich einfach nicht. Sag, dass das nicht wahr ist.“
„Kann ich nicht. Mitte September bekomme ich die Schlüssel für die neue Wohnung, und am ersten Oktober holt die Spedition meine Möbel. Bis dahin habe ich Zeit, alles zu regeln und zu packen. Du siehst also, es ist ernst.“
Ich verstand noch immer nicht. „Aber warum willst du hier weg? Und was ist mit deinem Haus? Ich dachte immer, das hier wäre dein Traum vom Leben?!“
„War es auch, Yvi, bis du mich damals nach Berlin geholt hast. Diese Stadt hat einfach Pfeffer im Hintern, genau wie ich.“ Sie beugte sich über den Couchtisch und suchte meinen Blick. „Seitdem träume ich davon, noch einmal neu anzufangen. Nur für mich, ohne Anhang, ohne
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