Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
willst? Ich meine, weil du die Wohnung in Berlin doch nur gemietet und nicht gekauft hast. Was ist, wenn es dir dort nicht gefällt? Weg ist weg, und eigentlich brauchst du das Geld doch noch gar nicht. Du könntest einfach warten und …“
„Trauerst du ihm nach?“
„Irgendwie schon, schließlich haben wir hier ein paar aufregende Jahre verbracht. Findest du nicht?“
„Das meine ich nicht. Tut es dir leid, wenn ich das Haus verkaufe?“
„Ja, ich denke schon. Außerdem habe ich mich daran gewöhnt, immer jemanden in meiner Nähe zu haben. Dich in meiner Nähe zu haben.“
„Was soll ich sonst damit machen?“ Lotta hörte auf, geschäftig im Zimmer herumzulaufen, und setzte sich neben mich aufs Bett. So wie früher, wenn Fieber oder ein schwerer Fall von Liebeskummer zu behandeln waren. „Du hast mir ja einen Korb gegeben, weil dir Haus und Garten zu viel Arbeit machen. Svenja würde gerne hier einziehen, darf aber noch nicht. Und Robert – der würde zwar auch gern, aber das will ich nicht. Weil er ohne Druck nicht in die Schuhe kommt und aus Versehen alles verkommen lassen würde. Rasenmähen, Fensterputzen oder gar aufräumen ist einfach nicht sein Ding.“
„Du mähst Rasen? Ich dachte immer, du stehst auf Naturgarten.“
Ich spähte zum Fenster und kniff die Augen zu, aber zu spät: Noch immer leuchtete der Maibaum, und seine lustig flatternden Bänder brannten auf meiner Netzhaut.
„Dem Naturgarten hätten Nachbarn und Ordnungsamt längst ein Ende gemacht. Nein, bei mir läuft alles streng nach Plan und dem Mondkalender. Jetzt verdreh nicht die Augen, du hast gefragt.“
„Und du? Tut es dir nicht leid, wenn dein Haus weg ist? Endgültig weg, meine ich?“
Nachdenklich blickte Lotta auf die Blumenpracht in ihrem Garten und den Maibaum. „Manchmal ist es einfach an der Zeit, zu gehen und einen Strich unter das Alte zu ziehen. Ich meine nicht vergessen, das wäre falsch, aber ein endgültiges Zeichen zu setzen, dass etwas Neues anfängt.“
„Jetzt bist du es, die ausweicht.“
„Also gut: Ja, es tut mir in der Seele weh, das schöne Haus zu verkaufen, aber es brach stehen und verwildern zu lassen ist auch nicht besser. Und da du es nicht willst und ich es sonst niemandem geben mag, bleibt mir nichts anderes übrig als es zu verkaufen.“
Nachdenklich kuschelte ich mich später in die warme Decke und lauschte auf die vertrauten Geräusche aus dem Erdgeschoss: Kim quäkte zufrieden unter den mittlerweile recht geschickten Händen ihres Vaters, Svenja gurrte ihrem Schatz wieder mal irgendeine Riesenbitte entgegen, Robert pfiff beim Tischabräumen zufrieden vor sich hin …
Ach Robert! Warum hatte er seine himmelblauen Augen nicht unter meinem Rock lassen können? Einen anderen Rock hätte ich ihm sogar noch verzeihen können, aber eine Hose … Vielleicht lag Anni ja richtig und aus uns hätte eine ganz brauchbare kleine Familie werden können, unter anderen Umständen. Ganz anderen. Aber so, wie die Dinge lagen, kam Robert weder als potenzieller Partner noch als Maibaumspender in Betracht. Leider!
Von Robert war es nur ein kleiner Schritt zu Falk. Erst gestern wieder hatte er mir die Hölle heiß gemacht wegen meiner Schwindelei – und angeboten, im Sommer mit uns nach Südfrankreich zu fliehen, falls es uns hier zu heiß werden sollte. Alle vier.
Und was ist mit Australien?
Abgehakt, Anni. Und der Maibaum auch. Rechtsanwälte, vor allem wenn sie mit ihrer Kanzlei verheiratet sind, stellen nicht heimlich bunte Maibäume auf.
Hungrig geworden machte ich mich über den Frühstücksspeck her. Hmm, Bacon – wann hatte ich zuletzt ein solch phänomenales Frühstück gehabt? Wann hatte ich überhaupt je ein solches Frühstück gehabt? Und dazu noch im Bett?
Svenja störte die überirdische Freude und stolperte mit dem schnurlosen Telefon ins Zimmer.
„Da! Die PEPITA-Redaktion. Für dich.“
„An einem Feiertag?“ Mir blieb der Bissen im Hals stecken und ich musste husten. „Hat der denn nie Feierabend?“
„ Thea, carissima …“, gurrte Andrea in den Hörer, offenbar nicht darüber im Bilde, wo ich mich gerade befand. Zum Glück konnte er nichts sehen, trotzdem fühlte ich mich nackt, raffte das freizügige Dekolletee meines Nachthemdes und zog es bis zum Kinn hoch. Konnte er seinen Charme nicht in anderes investieren als Telefonate? In einen Maibaum vielleicht?
„Andrea, welch eine Überraschung! Sind Sie in der Nähe?“
„Nein, leider nicht.“ Seufzer. „Dabei
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