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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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leicht säuerlichen Gesichtsausdruck. Und er wollte mich weder in den Arm nehmen noch mich mit Gratulationen überschütten, sondern mich viel mehr ungnädig an meine Pflichten erinnern, aber nicht an meine ehelichen. Er tobte regelrecht vor Wut! » Wir sprechen uns noch, Sophie!«, ließ er mich wissen. Na, wunderbar.
    Das hatte ich tatsächlich ganz vergessen vor lauter Aufregung, mein Bericht brauchte seinen zweiten Teil! Weil wir auch zur Kirche zu spät gekommen waren, hatte ich keine Zeit für den zweiten Aufsager gehabt. Den dritten hatten wir schon aufgegeben, am Ende des Tages würde ich ja sicher kaum noch in der Lage sein, meinen Namen zu stottern. So fühlte ich mich im Moment zumindest. Aber jetzt hieß es: Ran an die Arbeit!
    Schnell ließ ich mir ein Mikro geben, hüpfte mit Kameramann Ralf auf die Wiese vor der Kirche, strich mir kurz durchs Haar und gab mein Bestes. Drei, zwei, eins– Action.
    » In der Harburger Hochzeitskirche lassen sich schon seit Jahrhunderten die Verliebten trauen, um, so lautet die Sage, viel Glück und eine kinderreiche Ehe zu erlangen. Hier haben sich als Erste im Jahr 1457 kurz nach der Erbauung der Kirche die Edelleute Christian und Hildegund von Breitenstein vermählen lassen und waren fortan immer glücklich, denn sie bekamen sieben Kinder.« Dass das alles komplett erfunden war, konnte man sich vielleicht denken, aber beweisen konnte es mir in dem Moment niemand. Ich konzentrierte mich auf die Ansprache, Jonas gab neben mir den glücklichen Ehemann, wir waren sicher ein schickes Pärchen, auch wenn ich kein Brautkleid mehr trug. Ich lächelte ihn an und fuhr mit meiner Reportage fort: » Und jetzt bin ich auch glücklich, meinem Mann Jonas hier vor Gott das Jawort gegeben zu haben, und wünsche allen anderen Brautpaaren des 5 . 5 . 2005 eine lange, glückliche Ehe mit vielen Kindern!«
    Alle Umstehenden applaudierten, bewarfen uns wieder mit Rosen, riefen: » Küssen, küssen!«, und wir küssten uns. Jemand rief: » Sieben Kinder sollt ihr haben!«, und eine junge Mutter antwortete entsetzt: » Gott bewahre!« Alle lachten, und damit war der Bericht im Kasten. Herrlich! Alles geklappt. Sogar das Lachen klang super. Wir hatten also alles im Beitrag: Liebe, Pannen und einen historischen Bezug (der wie gesagt frei erfunden war, aber das war ja so was von egal, diese Lektion hatte ich ja nun schon lange gelernt. Lieber gut gelogen als schlecht recherchiert, sagte ich mir ja auch immer).
    Jetzt konnte es langsam ans Eingemachte gehen, jetzt sollte gefeiert werden– hoch die Tassen! Nur ich würde mit Selters anstoßen. Nach einigem Hin und Her, wer mit wem weiterfuhr, und wer schon zu besoffen war, um sich noch ans Steuer zu setzen, erbot sich der liebe Jonas, seine Kumpels Ole, Volker und dessen Freundin Kirsten mitzunehmen.
    » Schatz, das ist doch okay?«, sicherte er sich bei mir ab. » Natürlich«, musste ich einlenken, schließlich sollten die drei ja auch irgendwie noch zu unserer Party kommen. Ich konnte ja schlecht antworten: » Nein, du Idiot, ich will dir endlich sagen, dass ich schwanger bin, also lass uns gefälligst alleine fahren!« Also: Ja, natürlich war es okay. Seufz. Bitte alle einsteigen.
    Im Yachtclub an der Alster angekommen, hatte sich die Zahl der Gäste auf rund fünfundvierzig reduziert. Verstehe ich gar nicht, ich hatte doch relativ genau die Route angegeben, die ich im Internet herausgesucht hatte. Mit ein paar Abkürzungen zwar, aber es hätte im Grunde funktionieren müssen.
    Seit wir aus der Kirche gekommen waren und sich der Stress endlich etwas abgebaut hatte, hatte ich auch einen mordsmäßigen Hunger bekommen. Ich hätte ein ganzes Schwein verdrücken können. Zum Glück dauerte es ja auch nicht lange, bis das Spanferkel aufgetragen werden sollte. Die Marzipantorte in Form der Villa war für Mitternacht geplant. Jetzt war es 17 Uhr 30 . Ich wusste gar nicht, ob ich das alles noch so lange aushielt: Heiraten fand ich unheimlich anstrengend. Schwanger sein ebenfalls. Ich schwitzte, und mir war die ganze Zeit latent schlecht. Mona hatte ich seit dem Standesamt auch nicht mehr gesehen; ich hätte sie jetzt wirklich gebraucht.
    Im Yachtclub nun nahm ich unsere Partylocation genau unter die Lupe. Schließlich war ich ja hier die Gastgeberin. Aber ich hatte nichts auszusetzen, alles super, alles schick. Der Club war über und über mit Lichterketten geschmückt, die weißen Kieswege durch den Park waren gesäumt von Buchsbäumchen und

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