Wickelkontakt - Roman
hatte ja jeder das Recht, jemanden mitzubringen, warum also nicht auch der DJ. Alleinunterhalter Manni machte seinen Job übrigens ziemlich gut, die meisten der Gäste tanzten gerade zu » Pata Pata« von Miriam Makeba und hatten sichtlich Spaß dabei, aber Jonas blieb verschollen.
Da es immer noch recht warm und für einen 5 . Mai ungewöhnlich mild und lau war, blieb ich draußen auf dem Bootssteg, versuchte, abseits von den Gästen, eine zu rauchen, wovon mir wieder schlecht wurde, warf die Kippe weg, und wartete auf Jonas. Wenn der Prophet nicht zum Berg, dann eben der Berg zum Propheten, oder so. Ich blieb nicht lange unentdeckt, ein paar Freundinnen kamen auf mich zu und nahmen mich in ihre Mitte– sie waren offenbar schon nah dran gewesen, eine Vermisstenanzeige für mich aufzugeben– aber auch sie hatten Jonas nicht gesehen. Ich plauderte ein bisschen, lachte und lächelte, und konnte doch nur an eines denken: Wir bekamen ein Kind!
Langsam trudelten noch einige der geladenen Gäste ein, die stinksauer waren, dass sie von Harburg über Landstraßen angeblich in Richtung Lüneburg geschickt worden waren, und deshalb erst nach Stunden wieder in Hamburg waren. Auf dem Rückweg der verlorenen Schäfchen zurück zur Herde, die sich ja jetzt südlich der Elbe befand, hatte sich ein Stau vor dem Elbtunnel gebildet: dreiundzwanzig Kilometer lang. Mit Vollsperrung und verstopfter Umleitung. Also der ganz normale Himmelfahrtswahnsinn.
Ich beobachtete, wie die letzten Gäste vor sich hinmurrend aus ihren Autos stiegen, und sah dabei auf der Straßenseite des Yachtclubs etwas glitzern und funkeln. Dann rief jemand: » Au, Mann, nein, nicht meine Hose!«, und eine rote Rakete schoss zischend in den dunkelblauen Abendhimmel. Dort explodierte sie und schickte einen goldenen Sternenregen in die Alster. War das etwa der Beginn eines Feuerwerks?
» JETZT!«, ertönte ein Kommando, und aus dem Gebüsch kletterte– mein Mann. Die Haare zerzaust, der Anzug fast in Fetzen– also ähnlich schlimm wie mein Kleid, das zu Hause lag– und trotzdem atemberaubend süß! Mein Herz stand fast still. Mit seinen glitzernden Strahleaugen sah er mich an, freute sich so über etwas, von dem ich noch nicht wusste, was es sein könnte, dass ich ganz ergriffen war. Was hatte er vor? War er auf einmal doch noch zum Romantiker mutiert? Es schien ganz so, denn er ging die paar Schritte auf mich zu, stellte sich vor mich, nahm meine Hände in seine und hielt sogar eine kleine Ansprache.
» Hey, meine Süße«, sagte er, ganz ohne, dass ich ihm vorsprechen musste. Wow, Wahnsinn! Ich war gespannt. Um uns versammelten sich alle auf dem Bootssteg, jemand musste Bescheid gesagt haben, dass hier gleich etwas passierte.
» Dass du die Frau meines Lebens bist, weißt du sicher, sonst hätte ich dich heute nicht geheiratet. Du bist anders als alle, die ich kenne, und das liebe ich an dir. Du bist überraschend und wechselhaft wie das Hamburger Wetter, stürmisch und sonnig und nie langweilig, und allein dadurch bist du mein Ausgleich. Wir gehören zusammen, so wie wir sind.« Hier machte er eine kleine Pause. Ich war so ergriffen, dass ich sogar vergaß zu weinen. » Du bist meine Sonne, mein Stern und mein Licht. Und weil ich dir auch immer ein Licht in der Dunkelheit sein will, damit du immer weißt, wo du hingehörst, wenn du im Dunkeln stehst, habe ich mir zur Abwechslung auch mal eine kleine Überraschung für dich ausgedacht. Jetzt geht’s los.«
Und dann ging es wirklich los. Auf einmal erschallte klassische Musik aus Boxen, die heimlich hinter meinem Rücken angebracht worden waren, ich erkannte die ersten Töne von » Carmina Burana«, ein Stück, das ich immer gerne hörte. Zum eindringlichen Rhythmus der Musik passend zog erst eine Feuerwerksrakete nach der anderen, nach ein paar Minuten immer mehrere gleichzeitig in den Himmel. Die Leuchtfeuer bildeten bunte, goldene, silberne Herzen, Blumen oder Sterne, verschnörkelten sich zu Ornamenten, tauchten untereinander hindurch, schienen sich zu drehen, zu tanzen. Immer schneller schossen die Raketen in den Himmel, immer lauter wurde die Musik, der Rhythmus der Trommeln und des Orchesters war mitreißend. Ich war überwältigt. Das hier musste Millionen gekostet haben! Jonas hielt mich fest im Arm, und wir sogen die perfekt inszenierte Gesamtheit von Musik, Wasser und Feuer in uns auf, und hielten uns, als wollten wir uns nie wieder loslassen. Was ich ja auch nicht vorhatte. Alle unsere
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