Wickelkontakt - Roman
duftenden roten Rosenhochstämmchen, fünfzig Cocktailtische unter einem riesigen weißen Baldachin deuteten darauf hin, dass hier eine große Party steigen sollte, und die langen Tafeln im Speisesaal waren mit aufwendigen Rosenarrangements festlich dekoriert. In einer Ecke der enormen Terrasse mit Blick aufs Wasser gab es eine Sofaecke aus beigem Wildleder mit cremefarbenen Polstern– ich konnte für den Gastwirt nur hoffen, dass es nicht regnete– und weiß gekleidete hübsche Kellner hielten Tabletts mit alkoholischen Getränken und Snacks bereit. Ich musste wieder runter, um mit meinem Mann die Glückwünsche und Geschenke in Empfang zu nehmen.
Wir standen nebeneinander am Gabentisch und nahmen Gratulationen, Umarmungen, Küsschen, Umschläge, Vasen, Blumen, viel Porzellan und diverse Haushaltsgeräte entgegen. Der Tisch bog sich schier unter den Lasten. Unsere Nachbarn aus Winterhude, Sina und Thorsten, überreichten uns ein selbst gebasteltes Piratenschiff auf hoher Pappmachésee, in dessen Bullaugen mehrere gerollte Geldscheine als Kanonenrohre steckten. Auf dem Segel stand in goldenen Lettern: » Gute Fahrt in den Hafen der Ehe!«, und ich war ganz gerührt. Hätte ich geahnt, dass Sina und Thorsten das Schiff sehr günstig bei ebay ersteigert und keineswegs in mühevoller Nachtarbeit selbst gebastelt hatten, wäre ich vielleicht nicht ganz so gerührt gewesen.
Die Flut der Gäste nahm langsam ab, alle hatten sich ihre Plätze gesucht, Mona sah ich immer noch nicht, und ich konnte endlich einmal durchatmen. Vor lauter Körperkontakt beim Umarmen und Beglückwunschen war mir ganz schwindelig geworden, so dass ich froh war, dass ich nun Jonas, wenn auch nur kurz, für mich alleine hatte. Endlich! Jetzt könnte ich ihm sagen, was mir auf dem Herzen– und auf dem Magen– lag.
» Wollen wir mal ’nen Augenblick zum Wasser?«, fragte ich, und wir gingen auf den Holzsteg. Dort zwischen den Booten fühlte ich mich etwas sicherer, freier und wohler.
» Drück mich mal ganz doll, mein Mann«, sagte ich zu Jonas, und er nahm mich in den Arm.
Diese Nähe wollte ich kurz genießen, bevor ich es ihm sagte. » Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?«, fragte er an meiner Schulter. » Soooooooo lieb«, gab er selbst die Antwort und drückte mich dabei an sich, so fest er konnte. (Zum Glück hatte ich das enge Brautkleid nicht mehr an.)
» Ich hab dich genauso lieb«, sagte ich. Doch jetzt– Schluss mit dem Geplänkel. » Schatz, ich wollte dir doch was Wichtiges sagen«, fing ich rundheraus an. Er nickte. Klar, das hatte er nicht vergessen. Er befürchtete wohl noch so eine » lustige« Überraschung wie die Reportage.
Ich holte tief Luft. » Jonas, ich…«
» Jonas, Sophie, wo seid ihr denn?«, rief da jemand aus Richtung des Clubhauses. Klang stark nach meiner Mutter. Ich hatte ja heute geschickt versucht, ihr bisher aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass ich sie nicht liebhätte, aber sie war unheimlich anstrengend. Ungefähr so wie ich. Oder zweimal wie ich, und das war mir einfach zu viel.
» Hm, ja hier!« Ich trat zwischen den Booten hervor.
» Kommt ihr mal, wir wollen doch anfangen zu essen, und ihr müsst die Tischrede halten!«, sagte sie mahnend zu uns. In ihrem roten Kostüm sah sie richtig schick aus, und ich nahm mir vor, ihr das auch bei Gelegenheit noch zu sagen. Später. In einem anderen Leben.
Ich warf Jonas einen langen Blick zu, gab ihm einen Kuss auf den Mund und trottete brav hinter meiner Mutter her, so wie die letzten neunundzwanzig Jahre meines Lebens.
Bevor ich in den schönen, mit Kerzen hell erleuchteten Saal treten konnte, versperrte mir Martin Marciewski den Weg. Ach, ich wusste, was jetzt kam. Für solche Situationen hab ich ja ein Gespür. Ich rechnete nicht mit den prägenden Worten, die ich auch schon oft gehört hatte, wie: » Ich ruf dich an«, » Ich werde (eine andere) heiraten« und » Sie könnten ruhig auch etwas mehr Sport machen« (obwohl ich ihm das durchaus zutrauen würde). Nein, es konnte an dieser Stelle nur wieder heißen: » Das wird ein Nachspiel haben« beziehungsweise » Sie werden nicht versetzt.« Nahm das denn nie ein Ende? Es tat mir doch leid, dass wir zu spät gekommen waren und dass ich hatte brechen müssen, war doch für mich auch schon Strafe genug gewesen! Mal ehrlich, SO hatte ich mir ja meine Hochzeit auch nicht vorgestellt.
Marciewski sah mir in die Augen und tat etwas, womit ich nun nicht gerechnet hätte: Er lächelte. Dann sagte er:
Weitere Kostenlose Bücher