Wickelkontakt - Roman
Kleid– zumindest kommt die Größe hin. XXL.
Mit einem Blick auf Hüften und Bauch stelle ich allerdings fest, dass leuchtend roter Stretch zurzeit nicht gerade mein Fall ist, und knülle den Fetzen in den Schrank, zu allen anderen nicht-mehr- oder noch-nicht-wieder-passenden Sachen.
Warum sagt einem eigentlich keiner, dass man nach der Geburt noch genauso dick ist wie kurz davor? Ich bin deprimiert und will so schnell wie möglich wieder Sport machen, abnehmen und mich wohlfühlen. Vielleicht hilft es, wenn ich mir ein paar schöne Übergangssachen kaufe, überlege ich– nur ein paar Basics. Aber wo? Zu H&M traue ich mich noch nicht– zu hell, zu laute Musik, ich zu dick–, das wäre mir zu emotional. Da warte ich lieber noch etwas. Aber hier in der Nähe gibt es doch diesen Esoterik-Laden, der auch Klamotten hat– wenn man Batikhemden und bunte Tücher denn so nennen mag. Aber ich kann ja mal gucken, ob die nicht doch eine Jacke und einen Pullover für mich haben. Außerdem muss ich auch irgendwann mal alleine mit der Kleinen raus, warum also nicht heute? Ein Spaziergang würde mir sowieso guttun. Und ein paar Lebensmittel brauche ich auch noch.
Beflügelt von dem Gedanken, bald wieder fit und schlank zu sein und neue Sachen zu haben, klettere ich endlich unter die Dusche. Nach der Zwölf-Uhr-Fütterung geht es los.
Das schlafende Kind im Kinderwagen verstaut(ein Hartan Racer, mein ganzer Stolz!), schiebe ich los. » Im Wagen vor mir schläft ein junges Mädchen…«, singe ich leise vor mich hin und strahle vor Glück. Die Sonne scheint, ich bin das erste Mal seit der Geburt vor zwei Wochen wieder an der frischen Luft, und es ist alles wunderschön. Ich atme tief die frische Winterluft ein und blinzle gegen die Sonne. Gleichzeitig drücke ich damit ein paar Tränchen weg, denn so überwältigend hatte ich mir den ersten Spaziergang mit meiner Tochter nicht vorgestellt. Seit ihrer Geburt am Sonntag, dem 22 . Januar, war ich noch nicht alleine mit ihr unterwegs gewesen, jetzt ist die erste Februarwoche schon um. Mein Herzensgatte hatte sich zwei Wochen Urlaub nehmen können, heute war er das erste Mal wieder zur Arbeit, und ich musste mich nun daran gewöhnen, tagsüber mit meinem Baby alleine zu sein.
Vor einer Woche, zwei Tage nachdem ich aus dem Krankenhaus wieder zu Hause war, hatten wir schon mal einen Spaziergang versucht. Majas Papi trug sie die vier Stockwerke unseres Altbaus runter, wir legten sie in den Kinderwagen, stopften gegen die kalte Winterluft zig Decken um sie herum fest und wollten gerade losschieben, um im verschneiten Winterhude die Sonnenstrahlen zu genießen, die sich durch die Wolkendecke schoben, als Maja außerplanmäßig fürchterlichen Hunger und einen kräftigen Schreianfall bekam. Also blieb uns nichts anderes übrig als die Expedition » Familienausflug« abzubrechen und das Kind wieder hochzutragen. Die nächsten Tage hatte es wieder so viel geschneit, dass man kaum einen Fuß geschweige denn einen Kinderwagen vor die Tür setzen konnte. Erst jetzt wird es mit knapp sechs Grad über null so warm, dass der Schnee größtenteils schmilzt und ich nicht mal mehr einen dicken Mantel brauche. In meinen alten schönen Wildledermantel hätte ich allerdings eh nicht mal mehr mit einem halben Arm reingepasst, stattdessen hat mir meine Schwiegermutter ihre Jacke in XXL geliehen.
Okay, ich mag dick sein wie ein Wal, aber dafür habe ich eine süße kleine Tochter und alle anderen nicht, ätsch, denke ich und marschiere los über die vom Streusand knirschenden Fußwege an der Alsterdorfer Straße. Obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin, werde ich, so fällt mir langsam auf, von den mir entgegenkommenden Menschen blöde angeguckt, als ich da so mit meinem Kinderwagen langschiebe. Noch blöder werde ich angeguckt, als ich mit meinem Kinderwagen in den Supermarkt will. Und ganz blöd gucke ich, als mir keiner hilft. Neben dem Markt steht ein alter Mann in einem braunen Mantel, der mich ausgiebig mustert, aber keine Anstalten macht, mir die Tür zu öffnen.
Ich, Kinderwagen-Anfängerin, schiebe erst frontal auf die Tür zu, stelle fest, aha, geht nicht, drehe um, schiebe rückwärts gegen die Tür, verkeile damit ungewollt den Wagen zwischen beiden Ausgangstüren und fange trotz der Februarkälte an zu schwitzen. Gleichzeitig fängt Maja an zu nörgeln ob dieser unsanften Ruckelei. Mich über den Wagen beugend, versuche ich, die Tür aufzuhalten, bis ich den sperrigen Hartan unter
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