Wickelkontakt - Roman
war es so.
Sissis Laune verbesserte sich nicht gerade, als Marco ihr am nächsten Tag erzählte, dass er sich bei der Party Hals über Kopf in mich verliebt hatte. Himmel, was hatte ich angerichtet!
Nadine machte mir die übelsten Vorwürfe, heulte sich die Augen aus dem Kopf, beleidigte mich, und ich fuhr sehr viel früher als geplant wieder zurück. Im Zug fand ich es albern, dass sie sich so aufregte– ich hatte ja nicht mal mit ihm geknutscht. Soo brav war ich.
Noch bevor ich zu Hause war, verabredete ich mich mit Mona zum Betrinken. Seit dem Abend im Ex-Sparr vor vier Wochen hatte ich keinen Alkohol mehr angerührt– und jetzt beschloss ich, dass es so nicht bleiben könne. Weil sie sich mal einen Dani-freien Abend gönnen und mich auf den neusten Stand der Dinge bringen wollte, trafen wir uns in der hippen, aber unaufdringlichen Bar Die Welt ist schön am Neuen Pferdemarkt.
Im schummrigen weichen Lounge-Licht setzten wir uns im ersten Stock der Bar an einen der runden kleinen Tische und bestellten uns grüne und pinkfarbene Cocktails, um uns genau in die Stimmung zu katapultieren, die der Name der Bar versprach– nomen est omen!
Nachdem ich Mona ausführlich die unglückliche Sissi-Marco-Story erzählt hatte, fingen wir an aufzulisten, was an unserem Leben eigentlich gut war. Mir fiel spontan nichts ein.
» Du hast einen super Job«, half sie mir auf die Sprünge. Mit ihrer Arbeit als Musikredakteurin lag sie ja nun ihrerseits auch nicht so ganz daneben.
» Ich hab vor allem einen superanstrengenden Job«, maulte ich. » Jedes Wochenende muss ich arbeiten, außerdem geht mir die Frühschicht auf den Keks.«
Ich bin einfach kein Frühaufsteher. (Habe ich es schon gesagt?) Man muss den Tatsachen eben mal ins unerbittliche Auge sehen. Es gibt Menschen, die morgens um fünf gute Laune haben können– ich gehöre nicht dazu. Bis vierzehn Uhr ist für mich morgens. Gegen achtzehn Uhr werde ich wach, und gut arbeiten kann ich so ab abends um acht. Das war es, was mich an meinem Job so fertig machte. Ich liebte ihn, wusste aber nicht, ob ich ihm weiter gewachsen war. Nach drei Wochen Spätschicht und einer Urlaubswoche stand nun wieder ein Monat Frühschicht auf dem Plan. Es nützte alles nichts. Auch die Cocktails, die hübschen Menschen und das schicke Ambiente um mich herum konnten mir meine miese Stimmung einfach nicht schöngaukeln. Das erklärte ich Mona. Sie gab aber nicht auf.
» Guck dir doch mal an, was du schon alles erreicht hast!«, fuhr sie fort, mich aufzubauen. Im Trösten ist sie einfach besser als ich, das muss man ihr lassen.
» Du hast zig Praktika gemacht, studiert, hast von hundert Bewerbern als Einzige dieses Volo bekommen…« All das wusste ich auch, aber im Moment bedeutete es mir nichts. Ich sah sie nur mit hochgezogener Augenbraue an, nach dem Motto » Ja und?«. Doch dann zog sie ihre Trumpfkarte.
» Du weißt, dass die Hörer dich mögen, guck dir doch nur mal deine ganze Fanpost an!« Zack, das saß. Damit hatte sie mich. Es stimmte, und ich war einen kurzen Moment geschmeichelt, dass sie mich daran erinnerte.
Tatsächlich bekam ich einige begeisterte E-Mails von Hörern, die sich darüber freuten, mir zuhören zu dürfen, und meine Stimme mochten. Komplimenten gegenüber bin ich ja auch nicht ganz abgeneigt, und schwarz auf weiß zu lesen, dass ich eine » Gänsehaut-Stimme« hätte, das ist schon ziemlich schön. Meine schwarze Brille auf der Nase verfärbte sich langsam ins Dunkelgraue.
» Und du bist frei und unabhängig!«, sagte Mona resolut.
Ich schnaubte durch die Nase. » Das sagst du nur, weil du von deinem komischen Daniel schon genervt bist!«, konterte ich. Dem hatte sie nicht viel entgegenzusetzen. Mona hatte mir ein paar Tage vor unserem Treffen bei einer Zigarette auf dem Senderklo erzählt, dass es mit Daniel im Bett alles andere als doll lief und dass sie auch kein Kribbeln im Bauch hatte. Dann kam die Leier von der biologischen Uhr und dass man ja als Frau auch mal an die Zukunft denken müsse, Daniel als zukünftiger Wirtschaftsprüfer sei ja dann auch finanziell in der Lage, eine Familie zu ernähren, et cetera.
» Na ja, direkt genervt stimmt ja auch nicht«, sagte sie jetzt und wackelte etwas mit den Schultern, was, wie ich wusste, soviel hieß wie: » Weiß auch nicht, was da los ist.«
» Ich muss mich nur erst an ihn gewöhnen!«, erklärte sie schließlich und schlürfte mit ihrem Strohhalm die letzten Reste ihrer Piña Colada aus dem Glas.
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