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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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lieber einen Psychiater suchen statt ihre Zeit hier bei den WW zu vergeuden.
    » Äh… nein…«, stammelt das Mädchen weiter. » Ich hab so eine Speckrolle am Bauch und will sechs Kilo abnehmen, damit die weggeht.«
    Hui, die ist ja richtig redselig! Ich schaue sie misstrauisch an. » Wo hast DU denn bitte schön eine Speckrolle?«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
    Sie zieht doch wirklich und wahrhaftig ihr T-Shirt hoch und kneift sich mit der anderen Hand in den Bauch: » Hier! Und hier!«
    Ich kann ja kaum glauben, was ich sehe. » Mäuschen, das ist HAUT!«, belehre ich sie. » Die geht nicht weg, wenn du abnimmst!« Sie schluckt und reibt wieder ihre Hände an den Beinen. Die Arme, die ist ja völlig überfordert.
    » Doch«, behauptet sie starrsinnig, » das ist Fett!«
    Diese stumpfe Diskussion will ich mir nicht weiter geben, deshalb sage ich nur gekränkt: » Na, wenn du meinst!« und sehe wieder nach vorne, wo Miss World sich von einem einem etwas dicklichen Mann Mitte vierzig aus dem Kurs anbaggern lassen muss. Er will auf Teufel komm raus mit ihr flirten, und sie geht genauso strikt nicht darauf ein. Leicht macht er ihr es aber nicht. Na ja, Schönheit kann eben auch ein Fluch sein.
    » Spieglein, Spieglein an der Wand– wer ist die Dickste im ganzen Land?«, denke ich. » Meine Königin, Ihr seid es hier, und nirgendwo gibt es ein Wesen, das so dick ist wie Ihr!«, antwortet der Spiegel wahrheitsgetreu.
    Tatsächlich bin ich offensichtlich die Dickste hier in der Gruppe. Okay, ich weiß ja, dass ich ein Figurproblem habe– aber das hätte ich nun nicht erwartet.
    Diese Menschen hier sehen genauso aus, wie die lachenden, fröhlichen, gut gelaunten, Äpfel essenden Hausfrauen mit den reichen Männern zu Hause, den Kindern im Reitverein und den Diamanten an den Fingern, wie sie in der WW-Werbung gezeigt werden. Und ich mittendrin! Wie soll das bloß weitergehen? Werde ich auch so, wenn ich erfolgreich abnehme? Obwohl, dumm, dünn und glücklich zu sein ist bestimmt auch mal ganz schön, versuche ich mir das Ganze schmackhaft zu machen. Dann merkt man nämlich nicht mehr, wie angepasst man in Wirklichkeit ist. Ähnlich wie bei den Frauen von Stepford schweifen meine Gedanken weiter ab. Im Moment bin ich noch die durchgeknallte Bette Midler, aber bald, bald, werde ich eine von ihnen sein. Noch kann ich einfach abspringen– das Boot verlassen, einfach nicht mitfahren. Ich schiele nach der Ausgangstür.
    Als könnte sie meine Gedanken lesen, hält mir Kursleiterin Jasmin genau in diesem Moment das Anmeldeformular vor die Nase.
    » So, dann bitte hier unterschreiben«, flötet sie und lächelt mich an. Dann zwinkert sie mir noch zu. » Und, soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten?«
    Ich spitze die Ohren. Was will diese Hammer-Frau mir erzählen? Dass sie mit George Clooney geschlafen hat, und er nicht so toll war, wie alle glauben? Dass sie ebenfalls einen Heiratsantrag von Brad Pitt abgelehnt hat, wie auch Angelina Jolie schon kurz vor ihr? Ich bin sehr gespannt und nicke aufmunternd.
    » Ich hatte nach meinen beiden Schwangerschaften auch viel zu viel drauf«, verrät mir die Leiterin in vertraulichem Ton und fährt dann mit leiser Stimme fort: » Zum Schluss wog ich siebzig Kilo!«
    Das darf doch alles nicht wahr sein! Ich zwinge mich zu einem Lächeln, bringe ein gequältes » Aha« hervor und nehme mir fest vor, jemanden zu engagieren, der ihr im Dunkeln mal ordentlich eins auf die Fresse gibt. Für so eine unsensible Aussage gehörte sie einfach verkloppt. Vielleicht macht sie aber auch mit dem Mäuschen gemeinsame Sache, damit ich mich noch schwerer und fetter fühle und auf jeden Fall dabeibleibe. Wie auch immer, es wirkt.
    Ich unterschreibe das Abo für drei Monate, schwöre hoch und heilig, mich an die Fit-Formeln zu halten, kaufe sämtliche Produkte, die dort angeboten werden, vom Weingummidrop für 0 , 0002 Points bis zur Spargelsoße für drei Points und dem Kochbuch für zehn Euro, und trage in meinen Planer gleich für nächsten Dienstag wieder ein »20 Uhr WW«.
    Spieglein, Spieglein, an der Wand…

20

    Während Jonas noch in meinem Bett lag und vielleicht von mir träumte, saß ich im staubigen Studio. Die Sonne schien schon trotz der frühen Morgenstunden durch die Jalousien und blendete mich, die Musik lief– natürlich in Automatik–, und ich versuchte, mich nebenbei etwas auszuruhen.
    Es ging nicht. Mein Bauch kribbelte, ich war hellwach, obwohl ich keine Minute

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