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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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mehr meine Umstandsklamotten tragen, sprich: Neue Sachen braucht das Land! In diesem Falle: ich. Nachdem ich gestern in Tränen aufgelöst von einem Ausflug zu H&M nach Hause gekommen bin, hat Jonas vorsichtig gefragt, ob ich nicht doch mal lieber in einem Geschäft für » größere Größen« gucken wolle. Ich habe den ganzen Abend kein Wort mehr mit ihm gesprochen– was für eine Frechheit von ihm, daran auch nur zu denken! Natürlich würde ich niemals in meinem Leben einen Fuß über Ulla Popkens Schwelle setzen, oder mir in » Monis Mode für die füllige Frau« ein bunt geblümtes wallendes Kleid kaufen! Nur über meine Leiche!
    Allerdings hatte sich meine Suche nach einer Hose und einem Rock bei H&M als völliger Reinfall entpuppt. Eine der Sechzehnjährigen, die dort arbeiten, hatte sehr komisch geguckt, als ich ihr ein bestimmtes T-Shirt in XS vor die Nase gehalten und gefragt hatte, ob sie das wohl auch in meiner Größe hätten. Nachdem sie mich lange anstarrte, ohne etwas zu sagen, wiederholte ich meine Frage. Schließlich antwortete sie: » Da muss ich erst mal meine Chefin fragen«, dann rannte sie davon. Fünf Minuten später kam sie flüsternd mit ihrer höchstens achtzehnjährigen Kollegin im Schlepptau zurück, die sich als Filialleiterin herausstellte und mir bedauernd erklärte, die H&M-Mode sei wohl nicht ganz auf mich zugeschnitten, ich könnte aber gerne in der Schwangerschaftsabteilung etwas anprobieren, sie hätten dort auch schöne Sachen. Und falls mein Kind dann da wäre, könnte ich gerne wiederkommen und für das Kleine etwas kaufen.
    Tief geknickt fuhr ich mit der S-Bahn nach Hause und heulte mich bei Jonas aus, der extra früher von der Arbeit nach Hause gekommen war und Maja gehütet hatte, damit ich in die Stadt konnte.
    Heute Morgen hatte ich dann gedacht: » Scheiß doch drauf!« und mich der Wahrheit gestellt, die da lautete: Na und, ich bin moppelig und werde es noch eine Weile bleiben! Also lieber etwas zum Anziehen haben als ewig in Umstandssachen herumzulaufen. Nur erzählen werde ich es natürlich niemandem, dass ich hier ausnahmsweise etwas kaufe.
    Schon als ich das angenehm duftende Geschäft in der Hamburger Innenstadt betrat, kam ich mir vor wie in einer anderen Welt; einer Welt, in der mollige Menschen respektvoll statt herablassend behandelt werden. Bis auf die Tatsache, dass die Verkäuferin ständig meinen Kabinenvorhang aufreißt– das ist natürlich nicht so sonderlich respektvoll.
    Nun habe ich mich also mit meinem Schicksal abgefunden und eine Jeans und ein paar Röcke in Größe sechsundvierzig angezogen. Und ich muss zugeben, dass diese Hose hier wirklich eine gute Figur macht, und auch das grau-weiße T-Shirt dazu sieht überhaupt nicht schlecht aus. Zumindest sind es keine Schwangerschaftssachen, und sie sitzen gut, damit kann oder muss ich mich fürs nächste halbe Jahr zufriedengeben. Als ich alles wieder ausgezogen habe und nur in Unterwäsche in der Umkleide stehe, bücke ich mich, um meine Sachen auf dem Boden zu ordnen und meine stretchige Umstandshose aufzuheben. Riiiitsch, wird hinter mir, diesmal wirklich dreist und rücksichtslos, der Vorhang aufgerissen.
    Wütend fahre ich herum und fange mit: » Was fällt Ihnen eigentlich ein?!« einen saftigen Anschiss an, der an die Verkäuferin gerichtet ist, die ja wohl schon die ganze Zeit versucht, mich bloßzustellen. Vor mir steht aber, erschreckt dreinschauend wie das Kaninchen vor der Schlange, mein ehemaliger Chef, Herr Kaiser.
    Ich starre ihn entsetzt an– und er starrt genauso entsetzt zurück. Erst nach wenigen Sekunden, in denen sich niemand von uns rührt, reiße ich den Vorhang wieder zu, halte die Luft an und versuche, mich zu verstecken. Natürlich hat er mich gesehen, die Frage ist nur, ob er mich erkannt hat. Schließlich hat er mich damals bei Hanseradio ja nicht unbedingt immer in Unterwäsche gesehen und dünner war ich auch. Zu spät, jetzt höre ich seine Stimme. Er räuspert sich.
    » Entschuldigen Sie bitte, Frau Sonnenberg!«
    » Ich heiße Ahorn!«, rufe ich und hoffe, dass er jetzt einfach weggeht. Geh doch, denke ich und schicke ein Stoßgebet ans Universum: Bitte mach, dass er weggeht!!
    Mein Gebet wird prompt erhört, eine Frauenstimme ruft: » Norbert, guckst du mal?«, und ich höre, wie Kaisers Schritte sich auf dem weichen roten Teppich schnell ein wenig entfernen. Er scheint aber noch im Laden zu sein und einer Frau– vermutlich seiner eigenen– bei der Auswahl eines

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