Wickelkontakt - Roman
nun durchaus ein positiver war– ich hatte immerhin Muskelkater vom Sex–, meine Nerven lagen blank. Und ich wollte meinen Job nicht verlieren.
Ich schluchzte. » Aber, Herr Kaiser«, schluchz, » das waren doch nur dreißig Sekunden, und wir haben doch samstags nicht so viele Hörer«, versuchte ich mich zu rechtfertigen. Im selben Moment wusste ich jedoch, dass das schwachsinnig war. Und schon bekam ich es auch zu hören:
» Frau Sonnenberg, Ihre Einstellung stimmt einfach nicht. Wer am Wochenende nicht alles gibt, wird wohl in der Woche keine Chance haben. Und ich dachte, Sie wollten in die Moderation?«
» Jaaa«, wimmerte ich. Aber Recht hatte er! Ich war ein Partyluder, und ich wollte es bleiben. Ich wollte nicht am Wochenende arbeiten, und vor allem nicht früh aufstehen!
Er seufzte wieder, und ich schluchzte. Ich kam mir vor wie mit zehn, als mein Vater mit mir Mathe üben sollte und es in einer Katastrophe– ähnlich dieser– endete. » Wie kann man nur so blöd sein?«, hatte mein Vater mich angeschrien. » Das ist ein ganz einfacher Dreisatz!«
Aber wir hatten in der Schule keinen Dreisatz gelernt, oder es hieß bei uns anders, was weiß ich? Ich konnte jedenfalls nichts mit dem anfangen, was mein Vater mir erklärte.
Kaiser und ich sahen uns an. Ich hatte das Gefühl, dass er mich eigentlich mochte; er wollte es vielleicht nur nicht so zeigen. Aber bei Konferenzen lachte er über meine Witze, fand meine Themenvorschläge gut und erzählte mir von seiner Frau. Gleichzeitig war er aber der Meinung, ich sei noch nicht » so weit«, einen festen Job als Moderatorin zu bekommen. Zumindest nicht bei ihm.
Jetzt ging es um alles. Gehen oder bleiben? Würde ich fliegen, oder gab er mir eine Chance, eine allerletzte? Ich wollte ihm zeigen, dass ich zuverlässig, dass ich teamfähig war, dass ich die Hörer respektierte und für sie da war, dass ich etwas konnte! Aber ich wollte nicht betteln– eher biss ich mir die Hand ab.
Er seufzte erneut.
» Es tut mir so leid!«, wimmerte ich. Jetzt war er vielleicht zu erweichen, denn er wirkte schon etwas milder. Von wegen, nicht betteln! So charakterstark war ich ja nun auch nicht, dass ich mich für diesen Job nicht etwas erniedrigen würde.
» Entschuldigen Sie sich nicht ständig, Frau Sonnenberg. Machen Sie einfach keine Fehler mehr.«
Mit diesen Worten und einem Nicken in Richtung Tür entließ er mich aus seinem Thronsaal, und ich wankte mit wackeligen Beinen in die Redaktion zurück. Nachdem ich auf meinen Stuhl geplumpst war– die teils neugierigen, teils mitleidigen Blicke der Kollegen ignorierend–, fiel mein Blick auf die Zeitungen, die ungeordnet auf meinem Tisch lagen. Da sprang mir eine Anzeige ins Auge.
21
» Frau Ahorn, wenn Sie die Hose noch in Größe sechsundvierzig anprobieren wollen– ich hab sie Ihnen hier hingelegt!«, zwitschert die Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft für » Starke Frauen« und reißt den rosagelb gestreiften Vorhang der Umkleidekabine zur Seite.
Panisch greife ich danach und ziehe ihn wieder zurück an Ort und Stelle, um nicht in Unterwäsche vor ihr und zwei weiteren Kundinnen zu stehen. Daraufhin liefere ich mir mit der Beraterin ein kurzes Handgemenge, in dem wir beide an dem Sichtschutz reißen, bis ich schließlich gewinne und ihr die Hose einfach am Vorhang vorbei aus der Hand grabsche.
» Äh, die hier können Sie auch wieder mitnehmen, die war etwas zu… äh…«, murmele ich und strecke ihr meinerseits die Hose in Größe vierundvierzig entgegen.
Zwei Hosen, einen Rock und drei BHs habe ich schon anprobiert, und mittlerweile bin ich erschöpft wie nach einer Stunde Aerobic. Hochrot im Gesicht, schwitzend und mit den Nerven am Ende versuche ich, nicht in den Spiegel der Kabine zu sehen. Trotzdem führt kein Weg daran vorbei. Größe achtunddreißig/vierzig ist bei mir zum schönen Märchen geworden, da heißt es: » Es war einmal…«
Ich seufze und betrachte selbstmitleidig meinen Bauch, meine Hüften und Beine, und schließlich dann doch ein bisschen stolz meinen Busen. Obwohl ich Maja nicht stille, hat er sich seit der Geburt noch nicht zurückgebildet. 80 D ist immerhin ein Lichtblick bei meiner Üppigkeit– nicht vorzustellen, wenn ich dick wäre und nicht mal die passende Oberweite hätte.
Trotz der Abnahme von zwei Kilo in zwei Wochen bei den Weightwatchers, was schon ganz gut ist, bin ich noch weit von meinem Wunschgewicht entfernt, mag aber fast drei Monate nach Majas Geburt auch nicht
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