Wickelkontakt - Roman
schlaftrunken nebeneinander oder vielmehr ineinander verschlungen im dunklen Zimmer im Bett lagen und er seine Hand in meine Haare am Nacken schob, war es Viertel nach fünf. Er murmelte: » …der schönste Tag meines Lebens« und schlief ein.
Das Licht der Straßenlaterne vor meinem Fenster fiel in meine Wohnung, und ich betrachtete Jonas, als wäre er ein Wunder. Ich würde nie genug von ihm kriegen, das wusste ich einfach. Eine halbe Stunde später klingelte mein Wecker.
19
Maja trinkt ihr Fläschchen in meinem Arm, und ich warte auf Jonas, der heute pünktlich um 19 . 30 Uhr zu Hause sein soll. Es ist schon kurz vor halb acht, ich hoffe, er kommt gleich. Natürlich hatte er mich auf seiner Dienstreise nicht betrogen– sagt er jedenfalls. Ich hatte beschlossen, ihm zu glauben. Die Hintergrundgeräusche bei den Anrufen klangen tatsächlich mehr nach Tischlerei, und es ist auch keine Frau an sein Handy gegangen, um mir mitzuteilen, dass ihr Freund gerade duscht. Es ist also alles wieder gut. Jonas ist seit einer Woche wieder zu Hause, Maja hat ihren zweiten Monatsgeburtstag gefeiert, und unser Leben plätschert sanft dahin.
Morgens steht Jonas auf und macht sich für die Arbeit fertig, während ich Maja füttere. Dann starten sie und ich langsam in den Tag. Beim Spazierengehen ernte ich viel Lob von anderen Müttern, oft auch von Omas, und bin stolz wie Oskar, wenn meine Maja-Maus mit ihren neun Wochen alleine ihren Kopf hebt, ihren Schnuller in den Mund schiebt oder schon unglaublich süß lächelt. Meistens schläft sie aber– generell ist sie wohl eins der unkomplizierteren Babys. Darüber will ich mich auch gar nicht beschweren. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir etwas im Leben fehlt.
Ich mag mich nicht nur über Windeln und Kinderwagen unterhalten. Ich will mein Leben wieder zurück, und ich werde es mir holen! Allem voran muss ich meinen zwanzig Kilo Babyspeck den Kampf ansagen. Meine abendlichen Trainingseinheiten auf dem Stepper haben in den letzten Wochen nur mäßige Erfolge gezeigt, also habe ich mich nach ausgiebiger Recherche im Internet dafür entschieden, mir die Weightwatchers mal anzusehen. Die Erfolgsgeschichten anderer Ex-Dicker schreien geradezu danach, es ihnen nachzumachen. Alles, was man dafür angeblich tun muss, ist, einer Gruppe beizutreten, auf die Ernährung zu achten und sich wöchentlich zu wiegen. Dann würden die Pfunde nur so purzeln. Das klingt leicht, und wenn ich mich im Spiegel betrachte, habe ich auch die nötige Motivation.
Meine Arme schwabbeln; wenn ich den Kopf nach unten neige, habe ich vier Kinne, und meine Jeans in Größe zweiundvierzig liegt traurig im Schrank und vermisst mich. Und ich sie auch.
Endlich höre ich Jonas an der Tür. Maja ist fertig mit ihrer Flasche, lässt, als ich sie an meine Schulter lege, einen für ein Baby erstaunlich lauten Rülpser hören, und lacht danach befreit.
» Na, Mausi, du kommst ganz nach deinem Vater, was?«, scherze ich mit ihr, als Jonas im Flur seine Schuhe auszieht.
» Wer kommt nach wem?«, fragt er und gibt mir einen Begrüßungskuss.
» Ach nichts«, sage ich kichernd und drücke ihm Maja auf den Arm. » So, ich gehe jetzt und werde schlank« erkläre ich. » Meinetwegen kannst du so bleiben, wie du bist«, sagt Jonas und versucht, mir an den Po zu fassen. Ich quietsche, lache und schiebe ihn weg. » Tschüss, bis später.«
Von Winterhude fahre ich (natürlich fahre ich, auch wenn es nur zwei Kilometer sind) ins etwas nördlicher gelegene Alsterdorf– ein unglaublich teures Pflaster mit großen Villen und schönen Gärten– und suche den Veranstaltungsraum.
Das Treffen der WWler findet ironischerweise im Hof hinter einer Konditorei statt. Vielleicht ist der Treffpunkt aber auch bewusst gewählt, zumindest würden die Moppels, die sich Tortenstücke und Pralinen kauften, ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie hier weiter so maßlos vor sich hin futterten, während sie gleichzeitig mit den Plakaten konfrontiert waren, auf denen schlanke Frauen verkündeten: » Jeder kann es– auch DU!«, und sich dann doch bei den Weightwatchers anmelden.
Ich folge den Hinweisschildern bis zu einer Art umgebauter Garage, die von grellen Neonröhren beleuchtet wird. Nur ein vergittertes Fenster befindet sich in der Decke, ansonsten ist das kleine Zimmer fensterlos, wie ich schon an der Tür bemerke.
Am Eingang sitzt eine nette Dame, der ich zehn Euro in die Hand drücke und meinen Namen sage. Dann betrete ich das
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