Wickelkontakt - Roman
interessiert sei, was so viel hieß wie » essen und schlafen, und wenn man beim Blick aus dem Fenster noch eine alte Burg sieht, ist das auch gut«.
So weit war ich nun fertig mit allem, auch Jonas hatte seinen Anzug, den wir zusammen ausgesucht hatten. Unfairerweise, wie es bei vielen Männern mit einer guten Figur üblich ist, musste er weder diäten noch zusätzlichen Sport machen. Er sah einfach wie immer fantastisch aus. Mona war als meine Trauzeugin aufgestellt, und wir telefonierten wieder etwas öfter. Sie erzählte mir, wie es im Sender so lief, und ich laberte sie mit meinen Hochzeitsvorbereitungen voll. Wahrscheinlich konnte sie es schon nicht mehr hören, aber da musste sie jetzt durch.
Ich konnte schon nicht mehr zählen, wie oft sie am Telefon zu mir sagte: » Schatzi, beruhige dich!«, und: » Du machst dich doch nur selber verrückt!« Recht hatte sie, aber ich konnte es nicht ändern. Ich würde heiraten– wenn nun nichts mehr dazwischenkam.
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Immer öfter sehne ich mich jetzt nach einem kleinen Häuschen, danach, aus der Stadt herauszukommen und einem vielleicht nicht so anstrengenden Vierhundert-Euro-Job. Als TV-Reporterin will ich auf keinen Fall mehr arbeiten, ich hatte Marciewski bei meinem Abschied gebeten, mir ein Jahr Bedenkzeit zu geben. Maja wird in drei Monaten ein Jahr, und ich vermisse Fernsehen oder Radio wirklich nicht mehr so wie noch am Anfang der Babyzeit.
Wie sehr man sich als Mami verändert, kann man ja auch wirklich erst verstehen, wenn man selbst so weit ist. Die Hormone scheinen eine Art Gehirnwäsche mit einem durchzuführen, man tut Dinge, von denen man nie geglaubt hätte, dass man auch nur ansatzweise darüber nachdenken könnte. Weil es ja einfach viel zu uncool ist, aufs Land zu ziehen oder mit den Schwiegereltern in den Urlaub zu fahren oder nicht mal mehr an Silvester auf eine Party zu gehen! Party? Action? Hab ich zu Hause. Früher habe ich am Wochenende nachts nicht geschlafen, dafür aber tagsüber. Das war cool. Heute schlafe ich nachts nicht mehr, dafür tagsüber auch nicht! Eigentlich viel cooler– aber interessiert das wen? Nö. Wenn ich meinen wenigen Bekannten von früher von Majas Zähnen am Telefon erzähle, höre ich schon laut und deutlich, wie ihre Gedanken abdriften; es ist das Geräusch des Weghörens. So eine Art Desinteresse, das man fühlen kann.
Dass mit dem erfolgreichen Durchbruch der Zähnchen aber meine Laune steht und fällt, verstehen Kinderlose selten. Falls Sie keine Kinder haben, erkläre ich das jetzt mal in wenigen Worten: Zähne kommen gut durch = kein Durchfall = keine Krankheiten = gut gelauntes Baby = Schlafphase nachts circa acht Stunden = fröhliche Mami.
Das Gegenteil ist der Fall, wenn das Kind zahnt.
Zähne machen Ärger = Baby weint vor Schmerzen = Mami streitet sich nachts mit Papi, weil Papi zur Notapotheke muss um Osanit und Dentinox zu besorgen = Baby hat trotzdem schlechte Laune und muss in der Wohnung herumgetragen werden = Baby schläft nur während dieser Schaukelbewegung = Mami schläft nicht UND hat ein schlechtes Gewissen wegen des nächtlichen Streits UND ist todmüde und muss wegen des Zahnungsdurchfalls auch noch dreimal am Tag Wäsche waschen, während Baby durch die Wohnung rollt, Kabel unterm Regal hervorzieht und an den Steckern knabbert = Mami bekommt fast einen Herzinfarkt und steckt Baby in den Laufstall = Mami hat ein schlechtes Gewissen, holt Baby wieder raus und fürchtet die nächste Nacht…
Na ja, gut, ich will niemanden langweilen. Und wenn Sie Kinder haben, kommt Ihnen das alles vielleicht bekannt vor.
Wenigstens kann ich mir zugutehalten, dass ich niemals über die Windelinhalte meiner Tochter gesprochen habe. Wirklich, niemals ! Das finde ich so was von eklig, vor allem, was geht das andere Leute an? Hab ich nie was drüber gesagt. Außer zu meiner Mutter, aber die wollte das auch wissen. Und zu meinen Schwiegereltern. Und als Maja wochenlang diesen Durchfall hatte, das hab ich dann halt schon einigen Leuten erzählt, das war auch echt schwierig, man muss das ja als Mutter auch irgendwie verarbeiten. Der Body von oben bis unten voll, immer wieder, das muss man sich mal vorstellen.
Überhaupt füllen Windeln einen sehr, sehr großen Teil des neuen Lebens aus. Pipi und AA sind der ständige Begleiter einer jeden Mutter. Oder Babykotze. Und, ich sage nur: Gehirnwäsche! Es ist alles gar nicht so schlimm, weil es das eigene Kind ist. Super, wie die Natur das macht.
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