Wickelkontakt - Roman
ich moderiere, Jonas, einmal am Strand, dann über mir, wir küssen uns, Maja wird geboren, ich liebe sie, ich bin glücklich… Und jetzt endet mein Leben– in einem Reihenhaus in Pinneberg!
Wie entsetzt ich wohl gucke, fällt mir erst auf, als Jonas mich etwas unsanft anstupst und zu seinem Vater sagt:
» Papa, was heißt das? Ihr habt das nicht gekauft, oder?«
» Doch– wir haben das gekauft!« Klaus nickt eifrig und lacht. Jetzt dreht er sich um und holt eine Mappe vom Schränkchen, da ist wohl so was drin wie die Besitzurkunde, der Notarvertrag oder dergleichen. Er räuspert sich.
» Und das ist… äh… ja, unser Weihnachtsgeschenk. Von uns für euch. Wir dachten, ihr würdet euch freuen. Ihr sucht doch ein richtiges Zuhause! In dieser dunklen Butze da in der Stadt, im vierten Stock, könnt ihr ja nicht weiter wohnen, das ist doch klar. Und ich weiß ja, wie das bei jungen Leuten ist: Ihr habt im Moment nicht so viel Geld, aber wenn Oma auf Maja aufpasst, kann Sophie wieder arbeiten gehen, und wir alle zusammen wären eine richtige Familie. Also, vielleicht gefällt es euch nicht, dass wir so über euren Kopf hinweg entschieden haben– aber ihr könnt es euch ja wenigstens mal ansehen!«
Ich kann es nicht glauben, Jonas strahlt wie eine Hundert-Watt-Glühbirne. Ich meine, keine Energiesparlampe. So kenne ich meinen Mann gar nicht! Ich bin etwas irritiert. Zurück zu Mama und Papa, ist das sein Motto? Oder denkt er: Geschenktes Heim, Glück allein?
Ich halte mich jedenfalls mit Zufriedenheitsbekundungen komplett zurück. Alles, was ich von mir gebe, ist ein unartikuliertes » Ächz-Krächz«. Ich schlucke, denke fieberhaft nach und versuche, nach meinem ersten Schock wieder zur Besinnung zu kommen. Und über mein Gesicht zieht sich nun ebenfalls völlig unbeabsichtigt ein breites Grinsen, das anscheinend aus den Tiefen meines Unterbewusstseins emporsteigt. Wahrscheinlich hat mein Ur-Instinkt schon kapiert, dass wir in Zukunft eine Höhle für uns haben würden, in der das Feuer immer brennt ( » Uga-uga, immer warm, Überleben gesichert, uga!«), bevor mein gegenwärtiges Ich damit klarkommt.
Jonas ist so begeistert, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seinen Vater auf den Schultern durchs Wohnzimmer getragen.
» Du bist der Allerbeste«, freut er sich und haut seinem Vater kräftig auf den Rücken. Mehr ist nicht drin bei den wahren Männern dieser Familie.
» Na, dachte ich mir’s doch«, gibt Klaus, sichtlich gerührt über die offenkundige Zuneigung seines Sohnes, zufrieden zurück. Ich drücke meine Schwiegermama an mich, fange dann doch noch an zu weinen– ein Tag ohne Tränen ist ein verlorener Tag–, und Ilse knuddelt mich, bis ich keine Luft mehr kriege. Schließlich heulen wir Weiber, Maja fängt dann im Schlafzimmer auch noch an, die Männer schenken sich Whiskey ein, und wir sprechen noch– ich mit Maja auf dem Schoß– stundenlang über das Haus, das wir morgen beim allerersten Tageslicht genauer unter die Lupe nehmen wollen.
Weil ich mir auch einen halben Whiskey gegönnt habe, tanze ich schließlich mit Maja auf dem Arm durchs Wohnzimmer, lasse sie ungefähr zwanzig Runden Karussell mit mir fahren, bis wir schwindelig und glücksduselig zu Jonas auf die Couch plumpsen, wo ich ihm einen Kuss auf die stoppelige Wange drücke.
Als wir spätabends bei Klaus und Ilse auf der Schlafcouch im Bügelzimmer nach einer einigermaßen bequemen Liegeposition suchen, unterhalten wir uns aufgeregt über das Haus, fallen uns dabei immer wieder ins Wort: » Immer einen Parkplatz vor der Tür!«– » Maja kriegt als Erstes einen Sandkasten!«– » Können im Garten grillen!«– » Müssen gleich nach Kindergärten gucken!« Dabei versichern wir uns, dass es auch nicht das Schlimmste ist, in Pinneberg zu wohnen. Immerhin ist Jonas hier aufgewachsen. Das Schönste ist aber, dass wir mit Klaus und Ilse als Nachbarn auch ein soziales und emotionales Dach über dem Kopf bekommen. In der Dunkelheit sehe ich die ersten Schneeflocken dieses Winters an der Straßenlaterne vorbeischweben, sie fallen in unseren zukünftigen Nachbargarten. Rasen und Tannen sind schon spärlich mit weißem Puder bedeckt, der im Schein der Außenbeleuchtung funkelt.
» Frohe Weihnachten!«, flüstere ich Jonas zu und schmiege mich an ihn.
Ein schöneres Geschenk als diese Familie habe ich noch nie bekommen.
38
» Für Tausende Paare in und um Hamburg ist heute ein Traum in Erfüllung gegangen – ihren
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