Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Bezeichnung ›Umsiedlungslager‹ vor. In Rumänien fehlt bisher eine solche Einrichtung. Mein Auftrag besteht darin, diesen Mangel zu beseitigen. Jenes Lager, das ich in Ploeşti einrichten und leiten werde, dient zur Aufnahme von Juden, Zigeunern, Freimaurern und anderem menschlichen Unrat. Wenn Sie Ihren Nutzen beweisen, sor ge ich dafür, daß sich ihre Einlieferung verzögert. Vielleicht sogar bis zu Ihrem natürlichen Tod. Aber wenn Sie versuchen, mir irgendwelche Knüppel zwischen die Beine zu werfen, haben Sie und Ihre Tochter die Ehre, unsere ersten Gäste zu sein.«
Cuza ließ hilflos die Schultern sinken und brachte keinen Ton hervor. Das Grauen in Polen und Deutschland sollte sich auf rumänischem Boden fortsetzen? Das war schlichtweg unvorstellbar! Doch ein Blick in die höhnisch glitzernden Augen des Sturmbannführers genügte, um letzte Illusionen zu zerstören.
»Sie Tier !« flüsterte er.
Kämpffers Lächeln wuchs in die Breite und wurde zu einem spöttischen Grinsen. »Solche Worte von den Lippen eines Juden beleidigen mich nicht. Sie bestätigen nur, daß ich genau auf dem richtigen Weg bin.« Er ging zur Tür und drehte sich dort noch einmal um. »Sehen Sie aufmerksam in den Büchern nach, Jude. Arbeiten Sie hart. Für mich. Finden Sie eine Möglichkeit, den Mörder aufzuhalten. Nicht nur Ihr eigenes Wohlergehen hängt davon ab, sondern auch das Ihrer Tochter.« Er verließ das Zimmer.
Cuza bedachte Wörmann mit einem flehentlichen Blick. »Major …«
»Mir sind leider die Hände gebunden, Herr Professor«, erwiderte der Offizier bedrückt. »Ich kann nur hoffen, daß Sie etwas in den alten Bänden finden. Vielleicht dient Ihnen die Sache mit den Türken vor fünfhundert Jahren als Ansatzpunkt. Und noch etwas …« Wörmann zögerte kurz. »Es wäre angebracht, wenn Sie Ihrer Tochter raten, die Herberge zu verlassen und einen sichereren Ort aufzusuchen. Irgendwo in den Bergen.«
Theodor Cuza durfte nicht zugeben, daß er in Hinsicht auf den »Geist eines Walachenfürsten« gelogen hatte und die Bücher keine wichtigen Informationen enthielten, aber über Magda konnte er sprechen. »Meine Tochter ist sehr stur. Sie wird im Gasthaus bleiben.«
»Das dachte ich mir schon. Ich sehe mich außerstande, Ihnen auf irgendeine andere Art und Weise zu helfen, Herr Professor. Die Feste untersteht nicht mehr meinem Kommando.« Er verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich war das nie der Fall. Gute Nacht.«
»Warten Sie!« Cuza holte das kleine silberne Kreuz aus seiner Jackentasche. »Hier, nehmen Sie. Ich kann es nicht mehr gebrauchen.«
Wörmann schloß die Hand darum. Sein Blick ruhte noch für einige Sekunden auf dem alten Mann, bevor er ging.
Der Professor blieb im Rollstuhl sitzen und spürte die Verzweiflung wie eine unerträgliche Last, die ihn zu zermalmen drohte. Seine Lage war völlig aussichtslos. Wenn Molasar keine deutschen Soldaten mehr tötete, würde Kämpffer aufbrechen und in Ploeşti mit der systematischen Auslöschung der rumänischen Juden beginnen. Wenn der Untote weitere Opfer verlangte, befahl Kämpffer die sofortige Einlieferung von Theodor Cuza und seiner Tochter ins Konzentrationslager. Er stellte sich Magda in den Händen der Nazibestien vor. Es gab wirklich Schlimmeres als den Tod.
Cuza suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Von den Geschehnissen in der Feste hing nicht mehr nur sein eigenes Schicksal ab.
Hunderttausende – vielleicht sogar Millionen – von Menschenleben standen auf dem Spiel. Es mußte irgendwie möglich sein, Kämpffers Pläne zu vereiteln und ihn daran zu hindern, seine Mission in Ploeşti zu erfüllen. Offenbar brannte er darauf, Montag in der Stadt einzutreffen. Verlor er seinen Auftrag, wenn er nicht rechtzeitig zur Stelle war? In einem solchen Fall gewannen Juden, Zigeuner und alle anderen noch eine Gnadenfrist.
Und wenn er die Feste erst gar nicht verließ?
O Gott! Steh mir bei! Hilf deinem demütigen Diener, mil lionenfachen Tod zu verhindern …
Das stumme Gebet verlor sich in Mutlosigkeit. Was hatte es für einen Sinn? Zehntausende von Naziopfern mochten Gott angefleht haben, sie von ihren Qualen zu erlösen und ihnen die Freiheit zurückzugeben. Doch sie starben trotzdem.
Gott reagierte nicht auf das Flehen.
Und Molasar?
Wörmann blieb auf dem Treppenabsatz stehen. Als der alte Mann von dem Hinweis im Buch berichtete, hatte er gespürt, daß Cuza einerseits die Wahrheit sagte – und gleichzeitig log. Seltsam. Was verbarg der
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