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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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nachtschwarzer Augen.
    Das Schattenwesen lächelte. »Du kennst noch nicht das Ausmaß meiner Macht.«

25. Kapitel
     
    Die Herberge
    Samstag, 3. Mai • 10.20 Uhr
     
    Glück.
    Das Gefühl ließ sich nicht anders beschreiben. Zum erstenmal in ihrem Leben erfuhr Magda, wie es war, am Morgen neben dem Mann zu erwachen, den sie liebte. Sie empfand tiefen Frieden, der sich durch nichts in Frage stellen ließ. Der kommende Tag erschien ihr wie ein Geschenk, weil sie wußte, daß sie ihn zusammen mit Glenn verbringen konnte.
    Glenn lag auf der Seite und schlief noch. Magda wollte ihn zwar nicht wecken, aber trotzdem gab sie dem Drang nach, ihn zu berühren. Sanft strichen ihre Fingerspitzen über seine Schulter, die langen Narben auf der Brust und das rote Haar. Vorsichtig preßte sie ihr nacktes Bein an ihn und genoß die Wärme seines Körpers. Einmal mehr regte sich Verlangen in ihr.
    Nachdenklich betrachtete sie seine Züge. Noch immer verbanden sich mit Glenn viele Fragen. Woher genau kam er? Was für eine Kindheit hatte er verbracht? Warum war er hier? Warum hatte er die lange Schwertklinge bei sich? Warum faszinierte er sie so sehr?
    Magda konnte sich nicht daran erinnern, jemals glücklicher gewesen zu sein.
    Sie wollte ihrem Vater davon erzählen und zweifelte nicht daran, daß die beiden Männer rasch Freunde werden würden. Oder? Würde ihr Vater vielleicht Einwände erheben, weil Glenn kein Jude war? Für mich spielt das überhaupt keine Rolle, aber vielleicht denkt Vater da anders …
    Schuldgefühle verdrängten die leidenschaftlichen Empfindungen. Während sie in Glenns Armen gelegen und sich ihm und der Ekstase hingegeben hatte, hatte der alte, kranke Mann in einem kalten Zimmer gesessen, umgeben von menschlichen Teufeln – und auf die Begegnung mit einem Höllenwesen gewartet.
    Magda schwang die Beine über die Bettkante und hüllte sich ins Laken, als sie ans Fenster trat. Sie spürte die Düsternis, noch bevor sie das Kastell sah. Im Verlauf der Nacht hatte sich die Aura des Bösen bis zum Dorf ausgeweitet, so als suche Molasar nach Theodor Cuzas Tochter. Die Feste erhob sich auf der anderen Seite der Schlucht, grauer Stein unter einem grauen, bedeckten Himmel, umwogt von faserigen Nebelresten. Wächter patrouillierten auf den Wehrgängen, und das Tor stand weit offen.
    Irgend etwas bewegte sich auf der Brücke. Als Magda genauer hinsah, erkannte sie einen Rollstuhl. Doch er wurde nicht etwa geschoben. Der Mann, der darin saß – ihr Vater – , drehte die Räder selbst, mit kraftvollen, energischen Stößen.
    Ich träume. Das kann unmöglich wahr sein!
    Magda zwinkerte einige Male, aber das seltsame Bild blieb. Der alte Mann erreichte das Ende der Holzbrücke und näherte sich dem Gasthaus.
    Magda rief Glenn zu, er solle aufwachen, eilte durchs Zimmer, griff nach ihren Sachen und zog sich hastig an. Der Rothaarige schlug die Decke zurück und stand auf. Er lachte über Magdas Unbeholfenheit und half ihr bei der Suche nach Rock und Bluse. Die junge Frau ignorierte ihn. Sie dachte nur noch daran, ihren Vater vor der Herberge willkommen zu heißen.
     
    Theodor Cuza genoß den Morgen auf seine eigene Art und Weise.
    Molasar hatte ihn geheilt. Die Hände mußten nicht mehr mit dicker Wolle gewärmt werden, und sie drehten die Räder des Rollstuhls, ohne daß er Schmerzen hatte. Er fühlte sich wie neugeboren und fand sogar Gefallen daran, seinen eigenen Speichel zu schlucken. Endlich waren Zunge und Gaumen nicht mehr trocken. Und seine Gesichtshaut spann te nicht mehr.
    Tränen – Tränen! – der Freude quollen ihm aus den Augen und rannen über seine Wangen.
    Für einige Minuten glitten seine Gedanken in die Vergangenheit … Er hatte nicht gewußt, was er erwarten sollte, als ihm Molasar die Hand auf die Schulter gelegt hatte, aber kurz darauf war ihm bewußt geworden, daß sich etwas in ihm veränderte. Er fragte danach, doch der Untote riet ihm nur, sich schlafen zu legen und sich bis zum nächsten Morgen zu gedulden. Cuza gehorchte und schlief tief und fest. Er erwachte erst spät, stand auf …
    Ja, er stand auf . Es bereitete ihm keine Mühe, aus dem Bett zu klettern und zu stehen, ohne sich an irgend etwas festzuhalten. In jenem Augenblick begriff er, daß er Molasar helfen konnte und wollte .
    In seiner Freude erinnerte er sich gerade noch rechtzeitig daran, daß die Deutschen keinen Verdacht schöpfen durften: Er schlüpfte wieder in die Rolle des Kranken, als er seinen Rollstuhl zum Tor

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