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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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… Sie nahmen uns das Spiegelbild. Vielleicht wollten sie uns daran erinnern, daß unser Leben ihnen gehört.« Glaeken dachte einige Sekunden lang nach. »Es ist seltsam, nicht das eigene Abbild betrachten zu können. Daran gewöhnt man sich nie.« Er lächelte traurig. »Ich erinnere mich gar nicht mehr an mein Aussehen.«
    Magda empfand plötzliches Mitleid. »Glenn …«
    »Glaeken«, verbesserte der Rothaarige und schauderte. »Ich habe nie aufgehört, Rasalom zu verfolgen. Wenn ich von neuen Grausamkeiten hörte, machte ich mich sofort auf den Weg – ich wußte, daß mein Gegner dahintersteckte. Doch als allmählich eine neue Zivilisation entstand und die Menschen wieder große Städte bauten, griff Rasalom zu heimtückischen Methoden. Er nutzte jede Gelegenheit, um Tod und Elend zu säen. Im vierzehnten Jahrhundert verließ er Konstantinopel und reiste durch Europa. Er hinterließ dabei in jeder Stadt Ratten mit fatalen Krankheitserregern …«
    »Die Pest?«
    »Ja. Ohne Rasalom wäre die Epidemie örtlich beschränkt gewesen, aber wie du weißt, wurde sie zu einer der größten Katastrophen des Mittelalters. Damals begriff ich, daß ich irgendeine Möglichkeit finden mußte, ihm endgültig das Handwerk zu legen, um zu verhindern, daß er noch größeres Unheil anrichtete. Und wenn ich meine Pflicht so wahrgenommen hätte, wie es die Umstände verlangten, wäre Rasalom heute keine Gefahr mehr.«
    »Wieso machst du dir Vorwürfe?« fragte Magda. »Rasalom ist nicht von dir befreit worden, sondern von den Deutschen.«
    »Er sollte längst tot sein! Ich hätte ihn vor einem halben Jahrtausend töten können, entschied mich jedoch dagegen. Ich kam auf der Suche nach Vlad dem Pfähler hierher. Ich wußte von seinen Grausamkeiten und glaubte, daß mein Gegner dafür die Verantwortung tragen würde. Aber ich irrte mich. Vlad war nur ein Wahnsinniger, der unter Rasaloms Einfluß stand und seine Gier nach Leid und Elend befriedigte, indem er viele Unschuldige umbrachte. Nun, Vlad mag ein gnadenloser Mörder gewesen sein, aber seine Greu eltaten sind nichts im Vergleich zu dem Grauen, das in den Konzentrationslagern der Nazis herrscht. Wie dem auch sei: Ich baute die Feste und lockte Rasalom hierher. Mit der Macht des Schwerthefts kerkerte ich ihn ein – in der sicheren Überzeugung, daß es ihm nicht gelingen würde, sich zu befreien.« Glaeken seufzte. »Ein Trugschluß, wie ich heute weiß. Ich hätte ihn töten können – ihn töten sollen –, aber statt dessen machte ich ihn zu einem Gefangenen.«
    »Warum?«
    Der Rothaarige schloß die Augen und schwieg eine Zeitlang, bevor er antwortete: »Ich weiß nicht genau … Vielleicht fürchtete ich mich. Mein ganzes Leben war ich eine Art Gegengewicht zu Rasalom. Was mag geschehen, wenn ich schließlich den Sieg erringe und meinen Gegner dem Wahren Tod ausliefere? Was geschieht mit mir, wenn die von ihm ausgehende Gefahr gebannt ist? Ich bin Äonen alt, doch ich hänge nach wie vor am Leben. Selbst nach all den Epochen bietet es immer wieder etwas Neues.« Er schlug die Augen auf und sah Magda offen an. »Immer wieder. Aber wenn meine Vermutungen stimmen und Rasalom und ich irgendwie aufeinander angewiesen sind … Dann wäre Rasaloms Tod auch mein Ende.«
    Magda schluckte. » Kannst du sterben?«
    »Ja. Oh, ich bin alles andere als leicht umzubringen, aber wenn sich jemand genug Mühe gibt, sterbe ich wie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Die Verletzungen durch die Kugeln und den Sturz in die Schlucht – ohne die Klinge hätten sie mich getötet. Ich verdanke dir mein Leben.« Glaeken musterte die junge Frau eine Zeitlang, bevor er seinen Blick wieder auf die Feste richtete. »Rasalom hält mich wahrscheinlich für tot. Das muß ich ausnutzen.«
    Magda fühlte sich versucht, die Arme um ihn zu schlin gen und sich an ihn zu schmiegen, aber irgend etwas hinderte sie daran. Wenigstens verstand sie jetzt die Schuld, die sie eini ge Male in seinem Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
    »Geh nicht ins Kastell, Glenn.«
    »Nenn mich Glaeken«, sagte er leise. »Es ist lange, lange her, daß mich jemand mit meinem richtigen Namen angesprochen hat.«
    »Na schön … Glaeken.« Das Wort klang seltsam ange nehm und schien die Verbindung zwischen ihnen zu festi gen. Und doch … Es gab noch immer so viele unbeantwortete Fragen. »Was ist mit den gräßlichen Büchern? Wer hat sie versteckt?«
    »Ich. In den falschen Händen können sie sehr gefährlich sein, aber ich durfte nicht

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