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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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zu erreichen.
    Am späten Nachmittag nahm sich der Major eine Stunde Zeit, um die Umrisse des Dorfes zu skizzieren. Nur das Malen versetzte ihn in die Lage, wenigstens vorübergehend der wachsenden Anspannung zu entkommen. Als er mit dem Kohlestift arbeitete, spürte er, wie das Unbehagen langsam von ihm wich.
    Doch als die Sonne unterging, kehrten Furcht und dunkle Vorahnungen zurück.
    Nur eine Nacht, ohne daß irgend etwas passiert, dachte er. Dann gelingt es mir vielleicht, die Angst zu besiegen.
    Nur eine Nacht. Eine einzige Nacht ohne Todesfall.
     
    Sonntag, 27. April
     
    Ein heller, sonniger Morgen. Wörmann war in seinem Sessel eingeschlafen und erwachte, als das erste Licht durchs Fenster fiel. Er fühlte sich steif und fröstelte und begriff erst nach einigen Sekunden, daß ihn weder Schreie noch Schüsse geweckt hatten. Rasch zog er die Stiefel an und eilte auf den Hof, um sich zu vergewissern, daß keiner seiner Männer fehlte. Eine kurze Nachfrage bei den Wachen bestätigte seine Hoffnungen: Es gab keinen Todesfall zu melden.
    Wörmann fühlte sich um zehn Jahre jünger. Er hatte es geschafft, dem Mörder einen Strich durch die Rechnung gemacht! Aber es dauerte nicht lange, bis die erleichterte Zufriedenheit neuerlichem Schrecken wich.
    »Herr Major!« rief einer der Soldaten und kam mit langen Schritten auf ihn zu. »Mit Franz stimmt was nicht. Ich meine den Gefreiten Gent. Er liegt völlig still in seinem Zimmer.«
    Wörmann spürte, daß die schwere Bürde sofort wieder auf seinen Schultern lastete. In seinem Innern herrschte plötzliche Leere. »Haben Sie ihn untersucht?«
    »Nein, Herr Major. Ich … ich …«
    »Führen Sie mich zu ihm.«
    Er folgte dem Soldaten zum Mannschaftsquartier. Gefrei ter Gent lag auf dem Feldbett und wandte der Tür den Rücken zu.
    »Franz!« rief sein Kamerad, als sie eintraten. »Der Major ist hier.«
    Gent rührte sich nicht.
    Bitte, Gott, laß ihn krank oder an einem Herzanfall gestorben sein, dachte Wörmann, als er sich der Liege näherte.
    »Gefreiter Gent!« sagte er scharf. Der Soldat blieb auch weiterhin völlig bewegungslos liegen. Die Brust unter der Decke hob und senkte sich nicht. Wörmann ahnte, was für ein Anblick ihn erwartete, als er sich über das Feldbett beugte.
    Das Laken reichte dem Mann bis zum Kinn, aber der Major brauchte es nicht zurückzuziehen. Glasige Augen, bleiche farblose Haut und einige Blutflecken sagten ihm, was sich darunter verbarg.
     
    »Die Leute sind der Panik nahe, Herr Major«, brummte Feldwebel Oster.
    Mit knappen, energischen Pinselstrichen schmierte Wörmann Farbe auf die Leinwand. Das Morgenlicht verlieh dem Dorf genau den richtigen Zauber, und er mußte sich beeilen, um die Szene einzufangen. Oster glaubte vermutlich, daß sein Vorgesetzter den Verstand verloren hatte, und vielleicht stimmte das sogar. Trotz des Grauens in der Feste wurde das Malen zu einer Besessenheit.
    »Wundert mich nicht. Wahrscheinlich spielen manche von ihnen mit dem Gedanken, ins Dorf zu fahren und einige Einheimische zu erschießen. Aber das kommt nicht in Frage.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Herr Major, aber davon kann keine Rede sein.«
    Wörmann ließ den Pinsel sinken. »Ach? Wovon dann?«
    »Sie glauben, die getöteten Männer hätten nicht so geblutet, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Sie sind davon überzeugt, daß Lutz keinem Unfall zum Opfer gefallen ist und daß er ebenfalls ermordet wurde, so wie die anderen.«
    »Nicht so geblutet, wie es eigentlich der Fall sein sollte …? Oh, ich verstehe. Es ist wieder ein Vampir im Spiel.«
    Oster nickte. »Ja, Herr Major. Die Soldaten glauben, daß Lutz ihn aus seinem Kerker befreit hat, als er den Schacht in der Mauer öffnete.«
    »Ich bin zufälligerweise anderer Meinung«, erwiderte Wörmann und ließ sich nichts anmerken, als er sich wieder der Staffelei zuwandte. Er war der Ruhepol für die Truppe, wie ein Fels in der Brandung. Er mußte an der Realität fest halten und durfte das Übernatürliche nicht in Betracht zie hen. »Zufälligerweise glaube ich, daß Lutz von einem Stein erschlagen wurde. Die anderen vier Todesfälle stehen in keinem Zusammenhang mit ihm. Und was das Blut angeht … Sie haben eine Menge Blut verloren, mehr als genug, wenn Sie mich fragen. Hier treibt sich niemand herum, der nach Blut giert.«
    »Aber die Kehlen …«
    Wörmann zögerte. Ja, die Kehlen. Sie waren nicht mit einem Messer durchschnitten, sondern aufgerissen worden. Wie?
    »Wer auch immer der

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