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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Argwöhnisch beobachtete er die dunkle, konturlose Stelle.
    Der zweite Wächter setzte sich in Bewegung und näherte sich der Wand mit vorsichtigen, zögernden Schritten.
    Wörmann bemerkte einen düsteren, roten Fleck, der in der Dunkelheit zu glühen begann. Als das Schimmern heller wurde, begriff er, daß es sich um die Glühbirne handelte, die nun wieder leuchtete. Dann sah er den ersten Soldaten. Er lag auf dem Rücken, die Kehle eine einzige, klaffende Wunde. Blicklose Augen starrten wie anklagend zu Wörmann empor.
    Niemand befand sich in der Nähe.
    Als der zweite Wächter um Hilfe rief, wankte Wörmann vom Fenster fort, lehnte sich an die Wand und schnappte keuchend nach Luft. O mein Gott!
    Er taumelte zum Tisch und griff nach einem Stift. Er mußte mit seinen Männern unverzüglich aufbrechen, die Feste verlassen und sich aus dem Dinu-Paß zurückziehen. Es gab keinen Schutz vor dem Etwas, das er eben beobachtet hatte. Ich werde mich nicht damit aufhalten, Ploeşti zu benachrichtigen. Diesmal wende ich mich direkt ans Oberkommando.
    Aber was für eine Nachricht sollte er schicken? Fragend glitt sein Blick über die Kreuze, als erwarte er von ihnen eine Eingebung. Wie soll ich dem Oberkommando unsere Lage schildern, ohne wie ein Irrer zu klingen? Wie soll ich den Generälen mitteilen, daß wir das Kastell verlassen müssen, weil wir hier von etwas bedroht werden, gegen das sich mit der deutschen Militärmacht nichts ausrichten läßt?
    Er schrieb ein paar Sätze, strich sie jedoch gleich wieder durch, als ihm bessere Formulierungen einfielen. Er verabscheute die Vorstellung, die ihm zugewiesene Stellung aufzugeben, aber wenn seine Truppe eine weitere Nacht in der Feste verbrachte, forderte sie eine Katastrophe geradezu heraus. Inzwischen ließen sich die Männer sicher kaum mehr kontrollieren, und mit der bisherigen Verlustrate war Wörmann bald ein Befehlshaber, der niemandem mehr Anweisungen erteilen konnte.
    Befehlshaber, wiederholte er in Gedanken und schnitt ei ne Grimasse. Nicht ich beherrsche die Situation, sondern etwas Finsteres und Schreckliches.

7. Kapitel
     
    Die Dardanellen
    Montag, 28. April • 02.44 Uhr
     
    Sie hatten die Meerenge halb passiert, als der Bootseigner seinen Plan in die Tat umsetzte.
    Eine problemlose Reise lag hinter ihnen. Der rothaarige Mann war während der Nacht an Gibraltar vorbeigesegelt und hatte Marbella erreicht, wo er eine neun Meter lange Barkasse gemietet hatte: ein schmales, schnelles Schiff mit zwei großen, leistungsstarken Motoren. Der Eigentümer war kein Wochenendkapitän, sondern ein mit allen Wassern gewaschener Schmuggler.
    Er feilschte um den Preis, bis er erfuhr, daß er mit amerikanischen Doppeladlern bezahlt wurde: die eine Hälfte vor der Fahrt, die andere nach der sicheren Ankunft an der nördlichen Küste des Marmarameers. Der Eigner bestand auf einer Crew und wies darauf hin, wie gefährlich es sei, das ganze Mittelmeer zu durchqueren. Doch der Rothaarige lehnte ab, und schließlich fügte sich der Schmuggler.
    Sechs Tage lang waren sie unterwegs und wechselten sich am Ruder ab: acht Stunden Arbeit, dann acht Stunden Schlaf. Tagaus, tagein. Zu den einzigen Abwechslungen kam es, wenn der Käpten verlassene Uferbereiche ansteuer te, versteckte Höhlen aufsuchte und neuen Treibstoff holte. Der Rothaarige bezahlte alles.
    Und jetzt, als das Boot langsamer zu werden begann, wartete er darauf, daß Carlos der Schmuggler kam, um ihn zu töten. Seit sie Marbella verlassen hatten, hoffte der Eigner auf eine solche Chance. Nun aber näherte sich ihre Reise allmählich dem Ende – Carlos blieb nur noch eine Nacht, um zu versuchen, den Gürtel mit dem Geld an sich zu bringen.
    Eigentlich schade, dachte der Rothaarige. Während der vergangenen sechs Tage ist er mir ein guter Gefährte gewesen. Er wußte, wie man mit einem Boot umging, wie man navigierte, um Kriegs- oder Polizeischiffen auszuweichen. Er trank ein wenig zuviel, aß ständig und hielt offenbar nicht viel davon, sich zu waschen. Aber das war dem rothaarigen Mann im Grunde gleichgültig. Er hatte schon Schlimmeres gerochen.
    Die Tür der Heckkabine öffnete sich, und kalte Luft weh te herein. Carlos’ Gestalt zeichnete sich im Sternenlicht ab, bevor er die Tür wieder schloß.
    Wirklich bedauerlich, sagte sich der Rothaarige wieder, als er ein leises Kratzen hörte: eine stählerne Klinge, die aus einem Lederfutteral gezogen wurde. Eine fast angenehme Reise, die vermutlich tragisch endete.

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