Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
gekleidet: schwarze Jacke, schwarze Hose, schwarze Krawatte, schwarzer Ledergürtel, schwarzes Holster, schwarze Stiefel. Es gab nur wenige helle Stellen an der Uniform: das silberne Totenkopfabzeichen, die SS-Runen und Offiziersinsignien. Sie glänzten wie die Schuppen einer Schlange.
Wörmann stellte fest, daß Kämpffer seit ihrer letzten Begegnung in Berlin ein wenig gealtert zu sein schien. Aber nicht so sehr wie ich, dachte er bitter. Der SS-Major war zwei Jahre älter als er, aber auch ein ganzes Stück schlanker, und dadurch wirkte er jünger. In seinem dichten blonden Haar zeigten sich keine grauen Strähnen. Der perfekte Arier.
»Sie haben nur eine Einsatzgruppe mitgebracht«, stellte Wörmann fest. »Es waren zwei angekündigt. Wie dem auch sei: Es hätte mich nicht überrascht, wenn Sie hier mit einem ganzen Regiment erschienen wären.«
»Aber, aber, Klaus«, erwiderte Kämpffer in einem gönnerhaften, väterlichen Tonfall, während er das Zimmer durchstreifte. »Eine Einsatzgruppe reicht völlig aus, um Ihr Problem zu lösen. Meine Leute sind in dieser Beziehung außerordentlich tüchtig. Dies hier ist nur eine Zwischenstation für mich.«
»Und wo befindet sich die andere Gruppe? Pflückt sie Blumen?«
»In gewisser Weise.« Kämpffers Lächeln erreichte die Augen nicht.
»Was soll das heißen?« fragte Wörmann mißtrauisch.
Der Sturmbannführer nahm Mütze und Jacke ab und legte sie auf Wörmanns Schreibtisch, bevor er sich erneut dem Fenster näherte und das Dorf betrachtete. »Das werden Sie gleich feststellen.«
Widerstrebend trat der Wehrmacht-Major an Kämpffers Seite.
»Seit dem letzten Krieg scheinen Sie es weit gebracht zu haben«, sagte er, als sein Blick über die kleinen Häuser des Ortes glitt. »Offenbar fühlen Sie sich in der Schutzstaffel recht wohl.«
»Ich ziehe die SS der regulären Armee vor, wenn Sie das meinen. Sie fackelt nicht lange.«
»Davon habe ich gehört.«
»Ich zeige Ihnen, wie man Probleme innerhalb kurzer Zeit aus der Welt schafft, Klaus.« Er hob die Hand. »Sehen Sie?«
Zunächst konnte Wörmann überhaupt nichts erkennen, aber dann bemerkte er Bewegungen am Dorfrand. Mehrere Gestalten näherten sich der hölzernen Brücke: zehn Einheimische, die im Gänsemarsch gingen und von den SS-Leuten der zweiten Einsatzgruppe angetrieben wurden.
Wörmann hatte etwas in der Art erwartet, aber er war trotzdem schockiert.
»Sind Sie übergeschnappt? Das sind Rumänen, Bürger eines mit dem Reich verbündeten Staates!«
»Es geschieht nicht zum erstenmal, daß deutsche Soldaten von Rumänen umgebracht werden. Und ich halte es für höchst unwahrscheinlich, daß sich General Antonescu bei Hitler beschwert, nur weil einige Bauerntölpel erschossen wurden.«
»Sie erreichen überhaupt nichts, wenn Sie die Leute hinrichten!«
»Oh, es liegt keineswegs in meiner Absicht, sie sofort an die Wand stellen zu lassen. Sie geben ausgezeichnete Geiseln ab. Die übrigen Dorfbewohner wissen bereits Bescheid: Wenn noch ein deutscher Soldat stirbt, werden die zehn Männer und Frauen dort exekutiert. Für jeden weiteren Todesfall folgen zehn andere. Bis es zu keinen Mordanschlägen mehr kommt oder es im Dorf niemanden mehr gibt, den wir erschießen können.«
Wörmann wandte sich vom Fenster ab. Das also ist die Neue Ordnung, das Neue Deutschland, die Ethik der Herrenrasse. Auf diese Weise wollen die Nazis den Krieg gewinnen.
»Das klappt nie«, brachte er hervor.
»Da irren Sie sich«, widersprach Kämpffer ungerührt. »Es hat immer funktioniert, und das wird auch diesmal der Fall sein. Die Partisanen legen großen Wert auf die moralische Unterstützung ihrer Landsleute. Sie spielen die Helden, bis ihre Freunde sterben und ihre Frauen und Kinder abgeführt werden. Dann kommen sie zur Vernunft.«
Wörmann überlegte, wie er die Leute aus dem Dorf retten konnte. Zwischen ihnen und den schrecklichen Todesfällen im Kastell gab es nicht den geringsten Zusammenhang, deshalb widersprach er: »Diesmal ist es anders.«
»Das bezweifle ich. Um ganz offen zu sein: Ich glaube, in dieser Hinsicht bin ich weitaus erfahrener als Sie, Klaus.«
»Ja – Auschwitz, nicht wahr?«
»Ich habe viel von Kommandant Höß gelernt.«
»Wie wär’s, wenn Sie einige neue Erfahrungen sammeln?« Wörmann nahm die schwarze Mütze vom Schreibtisch und warf sie dem Sturmbannführer zu. »Kommen Sie.«
Wörmann ließ dem SS-Mann keine Zeit, irgendwelche Fragen zu stellen, und führte ihn mit langen
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