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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Schritten die Treppe hinunter, über den Hof und dann in den Keller. An der breiten Wandöffnung blieb er stehen, entzündete eine Lampe und setzte den Weg über eine alte verwitterte Treppe in den unteren Kellerbereich fort.
    »Ziemlich kalt«, sagte Kämpffer. Sein Atem kondensier te, und er rieb sich die Hände.
    »Hier unten bewahren wir die Leichen auf. Es sind insgesamt sechs.«
    »Sie haben sie nicht in die Heimat überführen lassen?«
    »Ich hielt es nicht für ratsam, sie nacheinander fortzubringen. Schlecht fürs deutsche Prestige, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich hatte vor, sie mitzunehmen, wenn ich die Feste verlasse. Aber wie Sie wissen, wurde mein Versetzungsgesuch abgelehnt.«
    Er blieb vor den sechs zugedeckten Körpern, die auf dem eisigen Boden lagen, stehen und bemerkte, daß die Laken ein wenig verrutscht waren. Es spielte eigentlich keine große Rolle, aber Wörmann legte Wert darauf, daß die sterblichen Überreste seiner Männer mit Respekt behandelt wurden.
    Er trat an einen der Toten heran und zog die Decke von Kopf und Schultern zurück.
    »Das ist Gefreiter Remer. Sehen Sie sich seine Kehle an.«
    Kämpffer betrachtete die klaffende Wunde, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos.
    Wörmann ließ das Laken wieder sinken, griff nach dem nächsten und hielt die Lampe hoch, um dem Sturmbannführer alle Einzelheiten des zerfetzten Halses zu zeigen. Er wiederholte den Vorgang bei den übrigen Leichen.
    »Und nun … Hans Lutz.«
    Kämpffer schnappte leise nach Luft, und auch Wörmann hielt unwillkürlich den Atem an. Lutz’ Kopf lag verkehrt herum, mit der Schädeldecke am Halsstumpf.
    Der Wehrmacht-Major drehte ihn rasch herum und nahm sich vor, eine Ermittlung einzuleiten und den Mann zu finden, der für diese Respektlosigkeit einem gefallenen Kameraden gegenüber verantwortlich war. Sorgfältig zog er das Laken zurück und wandte sich dann wieder an Kämpffer.
    »Begreifen Sie jetzt, warum Ihnen die Geiseln überhaupt nichts nützen?«
    Der SS-Offizier gab nicht sofort Antwort. Wortlos drehte er sich um und ging auf die Treppe zu. Sein Gesicht wirkte wie eine starre Maske, aber Wörmann konnte seine Betroffenheit spüren.
    »Die Soldaten wurden nicht einfach nur umgebracht«, erwiderte Kämpffer schließlich. »Irgend jemand hat sie verstümmelt.«
    »In der Tat. Ganz gleich, wer oder was hinter den Morden steckt – das Schicksal von zehn Dorfbewohnern ist ihm völlig gleich.«
    »Wer oder was ?«
    Wörmann hielt Kämpffers Blick stand. »Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, daß der Mörder ganz nach Belieben kommt und geht. Alle unsere Sicherheitsmaßnahmen sind bisher erfolglos geblieben.«
    »Das wundert mich nicht«, entgegnete Kämpffer. Als sie Wörmanns warmes Quartier betraten, fand er zu seiner früheren Selbstsicherheit zurück. » Angst ist die Antwort. Nicht wir, sondern der Mörder muß sich davor fürchten , noch einmal zuzuschlagen, und vor den Folgen, die sich daraus für andere ergeben. Angst ist das beste Mittel, um weitere Zwischenfälle zu verhindern.«
    »Und was ist, wenn der Unbekannte so denkt wie Sie? Wenn er sich nicht um die Dorfbewohner schert?«
    Kämpffer blieb stumm.
    »In diesem besonderen Fall kommen Sie mit Ihrer Vorstellung von Angst nicht weiter. Nehmen Sie diese Erkenntnis mit, wenn Sie sich wieder auf den Weg nach Auschwitz machen.«
    »Oh, ich kehre nicht nach Polen zurück, Klaus. Wenn ich hier fertig bin – und das wird nicht lange dauern, wahrscheinlich nur ein oder zwei Tage –, fahre ich nach Ploeşti.«
    »Warum? Dort gibt es keine Synagogen, die Sie niederbrennen können, nur Ölraffinerien.«
    Kämpffer preßte kurz die Lippen zusammen. »Genießen Sie Ihre spöttischen Bemerkungen, solange Sie noch Gelegenheit dazu haben. Wenn mein Ploeşti-Projekt begonnen hat, werden Sie es nicht mehr wagen, so mit mir zu sprechen.«
    Wörmann nahm hinter dem improvisierten Schreibtisch Platz und versuchte, seinen Ärger unter Kontrolle zu halten. Der Sturmbannführer ging ihm immer mehr auf die Nerven. Nachdenklich betrachtete er das Bild, das seinen jüngeren Sohn zeigte, den fünfzehnjährigen Fritz.
    »Es ist mir ein Rätsel, warum Ploeşti von Interesse für Sie sein sollte.«
    »Die Raffinerien sind mir völlig gleich. Ich überlasse sie dem Oberkommando.«
    »Wie großzügig von Ihnen.«
    Kämpffer ließ sich nicht provozieren. »Nein, es geht mir um die Eisenbahn.«
    Wörmann betrachtete noch immer das Foto. »Um die Eisenbahn?«
    »Ja.

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