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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Sie nicht, daß ich in einem höheren Rang stehe.«
    »Soll das ein Witz sein? Sie sind Major – ebenso wie ich. Es gibt nur einen Unterschied zwischen uns: Ich gehöre der Wehrmacht an und Sie einer Mördertruppe.«
    »Seien Sie vorsichtig, Klaus!« zischte Kämpffer. »Das Eiserne Kreuz, mit dem Sie während des letzten Krieges ausgezeichnet wurden, ist kein Freibrief für alles.«
    Wörmann konnte sich nicht länger beherrschen, öffnete die Uniformjacke und holte das dunkle Kreuz hervor. » Sie haben keins! Und Sie werden auch nie eins bekommen!«
    »Das genügt jetzt!«
    »Von wegen. Ihre SS bringt hilflose Zivilisten um, sogar Frauen und Kinder, wie ich hörte. Ich habe mir diese Medaille im Kampf gegen feindliche Soldaten verdient, die sich zur Wehr setzten und zurückschossen.« Der Hohn in Wörmanns Stimme war unüberhörbar, als er hinzufügte: »Und wir beide wissen genau, wie sehr Sie Gegner fürchten, die sich nicht Ihrem Willen fügen und Tapferkeit beweisen!«
    Kämpffer beugte sich vor, bis nur noch wenige Zentime ter seine Nase von Wörmanns Gesicht trennten. In den blau en Augen des Sturmbannführers blitzte Zorn. »Das alles ist Vergangenheit und spielt nun keine Rolle mehr. Ein neuer Krieg hat begonnen, und er wird uns zum Sieg führen.«
    Wörmann lächelte dünn. »Es sei denn natürlich, es gibt noch mehr Soldaten, die so auf feindliche Angriffe reagieren wie Sie bei Verdun.«
    »Ich warne Sie«, preßte der SS-Offizier hervor. »Ich lasse Sie …«
    Er brach jäh ab, als Wörmann vortrat und ihn zwang, ei nen Schritt zurückzuweichen.
    »Raus mit Ihnen!«
    »Wie können Sie es wagen …«
    »Verschwinden Sie«, grollte der Wehrmacht-Major.
    Eine Zeitlang starrten sich die beiden Männer wortlos an. Wörmann überlegte, ob sich Kämpffer tatsächlich dazu hin reißen lassen würde, ihm einen Schlag zu versetzen. Er wuß te natürlich, daß der Sturmbannführer in einer besseren körperlichen Verfassung war, doch was die psychischen Aspekte betraf … Zwischen ihnen erhob sich eine unsichtbare Barriere aus gemeinsamen Erinnerungen.
    Schließlich senkte Kämpffer den Blick und wandte sich ab. Schweigend griff er nach seinem Mantel und verließ das Zimmer. Wörmann schloß leise die Tür hinter ihm.
    Einige Sekunden lang blieb er reglos stehen und bedauerte es plötzlich, daß er dem Sturmbannführer gegenüber die Beherrschung verloren hatte. Er ging zur Staffelei und starrte auf das Bild. Je länger er es betrachtete, desto mehr sah der Schatten unter dem dünnen, senkrechten Strich nach einer baumelnden Leiche aus. Ihn schauderte, und plötzlich ärgerte er sich. Das Dorf im hellen Sonnenlicht sollte der Blickpunkt des Gemäldes sein, doch nun galt seine Aufmerksamkeit nur noch dem Schatten.
    Der Major ging zu seinem Schreibtisch zurück und musterte die Fotografie seines Sohnes Fritz. Er machte sich kaum Sorgen um den neunzehnjährigen Kurt, der im letzten Jahr in Frankreich gekämpft hatte und bereits im Rang eines Unteroffiziers stand. Kurt war kein Knabe mehr, sondern ein erwachsener Mann.
    Aber Fritz … Die Nazis stellten gräßliche Dinge mit ihm an. Irgendwie hatten sie ihn dazu verführt, der Hitlerjugend beizutreten. Wörmanns Erinnerungen kehrten um zwölf Monate in die Vergangenheit zurück … Zu Hause hörte er aus dem Mund des damals Vierzehnjährigen all den Unsinn über die arische Herrenrasse. Wenn Fritz über den »Führer« sprach, zeigte er dabei jene Art von Ehrfurcht, die eigentlich für Gott reserviert bleiben sollte. Die verdammten Nazis stehlen mir den Jungen und verwandeln ihn in eine Schlange wie Kämpffer. Und ich kann überhaupt nichts dagegen unternehmen.
    Und das traf auch auf Kämpffer zu. Der SS-Offizier entzog sich seiner Befehlsgewalt. Wenn der Sturmbannführer beschloß, rumänische Bauern zu erschießen, so konnte er ihn nicht daran hindern. Es war ausgeschlossen, ihn unter Arrest zu stellen: Kämpffer kam im Auftrag des Oberkommandos, und die Vorstellung, diesen Umstand einfach zu ignorieren und den Sturmbannführer seines Kommandos zu entheben, widersprach der preußischen Tradition, der sich Wörmann verpflichtet fühlte. Er sah die Armee seit einem Vierteljahrhundert als seine eigentliche Heimat an. Wenn er begann, all die Stützpfeiler seines bisherigen Lebens in Frage zu stellen …
    Er fühlte sich hilflos, als er am Schreibtisch Platz nahm. Alles veränderte sich und wurde schlimmer als jemals zuvor. Wörmann war in einem Jahrhundert der Hoffnung

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