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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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jenem Tag begonnen, Rumänisch zu lernen, als ihm erste Gerüchte über das Ploeşti-Projekt zu Ohren gekommen waren. Inzwischen kannte er ein wenig vom dakorumänischen Dialekt und rechnete damit, ihn bald fließend sprechen zu können. Aber es gab noch drei andere wichtige Mundarten, die sich erheblich voneinander unterschieden. Und die Worte an der Wand schienen zu keiner der wichtigsten Schriftsprachen zu gehören.
    Der Wirt Iuliu – wahrscheinlich der einzige Mann im Dorf, der lesen konnte – konnte sie nicht entziffern. Trotzdem mußte er leiden.
    Kämpffer wandte sich von ihm und den vier in Schwarz gekleideten Soldaten ab. Er sah sie nicht an, als er sagte: »Bringt ihm die Kunst des Dolmetschens bei.«
    Eine Sekunde lang blieb alles still, und dann erklang ein dumpfer Knall, gefolgt von einem schmerzerfüllten Stöhnen. Kämpffer starrte weiterhin an die Wand. Er brauchte sich gar nicht umzudrehen, um zu erfahren, was geschehen war. Einer der Wächter hatte den Kolben seiner Waffe in Iulius Rücken gerammt und den dicken Mann mit einem gnadenlosen Hieb zu Boden geschickt. Vermutlich kamen jetzt seine Kameraden näher und bereiteten sich darauf vor, den Hilflosen zu treten und mit den harten Stiefelspitzen nach den besonders empfindlichen Stellen seines Körpers zu zielen. Sie kannten sie alle.
    »Das reicht!« ertönte eine scharfe Stimme – Wörmann.
    Kämpffer wirbelte wütend um die eigene Achse. Das Eingreifen des Wehrmacht-Majors kam Insubordination gleich, einer direkten Herausforderung seiner Autorität! Doch als der Sturmbannführer den Mund öffnete, um Wörmann zur Ordnung zu rufen, bemerkte er, daß die rechte Hand des Offiziers nach dem Kolben der Luger tastete. Er würde es wohl kaum wagen, auf Deutsche zu schießen. Und doch …
    Die SS-Leute sahen ihren Vorgesetzten erwartungsvoll an. Sie wußten offenbar nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollten. Kämpffer spielte mit dem Gedanken, sie aufzufordern, Wörmann einfach zu ignorieren, doch die entsprechenden Worte kamen nicht über seine Lippen. Der durch dringende Blick des Wehrmacht-Majors machte ihn unsicher.
    »Dieser Dorfbewohner weigert sich, uns die gewünschten Auskünfte zu geben«, stieß er hervor.
    »Und deshalb haben Sie beschlossen, ihn bewußtlos zu schlagen, vielleicht sogar zu Tode zu prügeln. Sie wollen ihn zum Reden bringen. Wie intelligent von Ihnen! Tote sind ja so gesprächig!« Wörmann trat auf Iuliu zu und stieß Kämpffers Soldaten einfach beiseite. Er blickte auf den ächzenden Wirt herab und musterte dann die Wächter. »Glauben Sie, daß dies die richtige Methode für deutsche Truppen ist, den Ruhm des Vaterlandes zu mehren? Ihre Eltern wären bestimmt stolz auf Sie, wenn sie beobachten könnten, wie ihre Söhne mit einem alten, hilflosen Mann verfahren. Wie tapfer!«
    »Ich warne Sie …«, warf Kämpffer ein. Wörmann ignorierte ihn und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rumänen.
    »Haben Sie irgendwelche Informationen über die Feste, die uns von Nutzen sein könnten?«
    »Nein«, erwiderte Iuliu, der noch immer auf dem Boden hockte.
    »Sagen? Legenden? Gruselgeschichten?«
    »Ich habe mein ganzes Leben hier am Dinu-Paß verbracht und nie etwas gehört.«
    »Keine Todesfälle im Kastell?«
    »Nein. Nicht ein einziger.«
    Kämpffer beobachtete, daß sich das Gesicht des Wirts erhellte, so als hätte er einen Ausweg für sich gefunden – eine Möglichkeit, die Nacht zu überleben.
    »Aber vielleicht gibt es jemanden, der Ihnen weiterhelfen könnte. Wenn ich in den Büchern nachsehen dürfte …« Er deutete auf die verstreut liegenden Unterlagen.
    Als Wörmann nickte, kroch Iuliu über den kalten Stein und nahm einen dicken, ledernen Band in die Hand. Hastig blätterte er, bis er den gesuchten Eintrag fand.
    »Ja, hier steht’s! Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre war er dreimal hier, immer in Begleitung seiner Tochter. Beim letzten Besuch ging’s ihm ziemlich schlecht. Ein Gelehrter von der Universität in Bukarest. Ein Fachmann für die Geschichte dieser Region.«
    Das weckte Kämpffers Interesse. »Wann war er zum letztenmal hier?«
    »Vor fünf Jahren.« Der Wirt wich vor dem Sturmbannführer zurück.
    »Was meinen Sie mit, es ist ihm ziemlich schlechtgegangen?« erkundigte sich Wörmann.
    »Er mußte sich beim Gehen auf zwei Krücken stützen.«
    Der Wehrmacht-Major griff nach dem großen Buch. »Wie heißt er?«
    »Professor Theodor Cuza.«
    »Wollen wir hoffen, daß er noch lebt«, sagte

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