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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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»Genau das sollten die Soldaten glauben. In Wirklichkeit geht es mir um etwas ganz anderes. Durch diese Reise bekommst du eine Möglichkeit, Rumänien zu verlassen und dich in Sicherheit zu bringen! Ich möchte, daß du mich zum Dinu-Paß begleitest – und dort die erste Gelegenheit wahrnimmst, die Flucht zu ergreifen und dich in den Bergen zu verstecken!«
    »Aber …« Magda starrte ihren Vater fassungslos an.
    »Hör mir zu.« Er beugte sich zu ihr vor und sprach noch leiser. »Eine solche Chance ergibt sich nie wieder. Wir sind mehrmals in den Karpaten gewesen. Du kennst den Dinu-Paß, und bald beginnt der Sommer. Es dürfte dir nicht sehr schwerfallen, dich eine Zeitlang zu verbergen und dann zu fliehen.«
    »Wohin?«
    »Was weiß ich? Wichtig ist nur, daß du dieses Land verläßt. Am besten wäre es, wenn du aus Europa fliehen könntest. Geh nach Amerika oder nach Asien. Such dort Zuflucht, wo es keine Nazis und Judenhasser gibt.«
    »Eine Frau, die während eines Krieges allein unterwegs ist«, entgegnete Magda halblaut und versuchte, den spöttischen Klang aus ihrer Stimme zu verbannen. »Ich käme nicht sehr weit.«
    »Du mußt es wenigstens versuchen!«
    »Was ist los mit dir, Vater?«
    Theodor Cuza blickte eine Zeitlang aus dem Fenster, und als er schließlich Antwort gab, hatte Magda Mühe, ihn zu verstehen.
    »Für uns ist es aus. Man wird uns alle töten.«
    »Wen meinst du?«
    »Uns! Die Juden! In Europa gibt es für uns keine Hoffnung mehr.«
    »Ach, Vater, jetzt übertreibst du …«
    »Glaubst du? Griechenland hat gerade kapituliert! Seit dem Überfall auf Polen vor anderthalb Jahren haben die deutschen Streitkräfte keine einzige Schlacht verloren! Niemand kann ihnen länger als sechs Wochen Widerstand leisten! Und der Wahnsinnige, der von Berlin aus über ein immer größer werdendes Reich herrscht, ist fest entschlossen, das jüdische Volk auszurotten. Du kennst die Gerüchte und weißt, was derzeit in Polen geschieht. Der Schrecken wird auch Rumänien nicht verschonen. Das Ende der rumänischen Juden hat sich nur ein wenig verzögert, weil der Verräter Antonescu und die Eiserne Garde vollauf mit ihren Intrigen und Palastrevolutionen beschäftigt waren. Aber in den vergangenen Monaten haben sie ihre Differenzen beigelegt; jetzt dauert es sicher nicht mehr lange, bis es Leuten wie uns an den Kragen geht.«
    »Da irrst du dich bestimmt, Vater«, widersprach Magda hastig. Derartige Diskussionen machten ihr angst. »Das rumänische Volk wird so etwas nicht zulassen.«
    »Sei doch nicht so naiv!« zischte der alte Mann. In seinen Augen glühte es. »Nimm uns als Beispiel! Denk nur daran, was in der letzten Zeit geschehen ist! Hat irgend jemand protestiert, als die Regierung mit der sogenannten ›Rumänisierung‹ begann und jüdischen Besitz beschlagnahmte und jüdische Industriebetriebe verstaatlichte? Hat irgendeiner meine Kollegen an der Universität, mit denen ich seit Jahrzehnten befreundet war, Einwände gegen meine Entlassung erhoben? Nein. Sie haben sich nicht einmal die Zeit genommen, mich zu besuchen.«
    Er wandte sich wieder dem Fenster zu und schwieg.
    Magda suchte nach Worten des Trostes, aber es fielen ihr keine ein. Sie wußte, daß jetzt Tränen über die Wangen ihres Vaters gerollt wären – wenn er noch in der Lage gewesen wäre zu weinen. Die Krankheit hatte auch seine Drüsen befallen.
    Als Theodor Cuza wieder sprach, klang seine Stimme beherrschter.
    »Jetzt sitzen wir in diesem Zug und werden von rumänischen Faschisten bewacht, die uns deutschen Nazis übergeben wollen. Wir sind erledigt!«
    Magda betrachtete ihren Vater, der noch immer aus dem Fenster blickte. Wie verbittert und zynisch er geworden ist, dachte sie. Aber wen wundert’s? Er leidet an einer Krankheit, die seine Gliedmaßen deformiert, die Haut in brüchiges Pergament verwandelt und ihm Augen und Mund austrock net. Er stirbt langsam. Und was seinen Beruf angeht … Jah relang galt er als der beste Fachmann für rumänische Volkskunde, als praktisch einzige Kapazität auf diesem Gebiet – und trotzdem hat man ihn einfach so vor die Tür gesetzt. Als Grund wurde seine zunehmende Schwäche angeführt, aber sie wußten beide, daß es sich dabei nur um einen Vorwand handelte. Er war entlassen worden, weil er Jude war.
    Sein Zustand verschlechterte sich schnell. Er konnte sich nicht mehr mit der rumänischen Geschichte befassen, die er so sehr liebte; trotzdem hatte man ihn aus seinem Heim geholt. Hinzu kam das

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