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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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und ab. Sie überprüfte die Taschenlampe und stellte zufrieden fest, daß sie funktionierte. Sie dachte erneut über die Entscheidung nach, die sie auf dem Rückweg von der Feste getroffen hatte.
    Nach einer Weile fiel ihr Blick auf die Mandoline, die neben dem Fenster an der Wand lehnte. Sie nahm das Instrument zur Hand, ließ sich auf die Bettkante sinken und begann zu spielen. Ihre Finger glitten von ganz allein über die Saiten, und geistesabwesend lauschte sie den sanften Melodien. Magda begann mit offenen Augen zu träumen.
    Als sie eine Bewegung in der Tür bemerkte, kehrte sie plötzlich in die Wirklichkeit zurück. Glenn stand auf der Schwelle.
    »Sie wissen, wie man mit einer Mandoline umgeht«, stell te er fest.
    Sie freute sich, daß er zu ihr kam, und über sein Lächeln.
    Magda erwiderte es verlegen. »Leider spiele ich nicht mehr so gut wie früher. Es fehlt mir an Übung.«
    »Vielleicht. Aber Ihr Repertoire ist trotzdem bemerkenswert. Ich kenne nur eine andere Person, die derart viele Melodien so gut spielen kann.«
    »Wen meinen Sie?«
    »Mich selbst.«
    Da war sie wieder: Glenns Selbstgefälligkeit. Oder meinte er seine Bemerkung als Scherz? Magda beschloß, ihn auf die Probe zu stellen.
    Sie bot ihm das Instrument an. »Beweisen Sie es mir.«
    Der Fremde betrat das Zimmer, zog den dreibeinigen Stuhl ans Bett heran, nahm Platz und griff nach der Mandoline. Nachdem er sie »richtig« gestimmt hatte, begann er zu spielen. Magda hörte voller Ehrfurcht zu. Glenn war groß und kräftig gebaut, aber seine Finger zupften erstaunlich sanft an den Saiten. Offenbar prahlte er ein wenig: Er wiederholte viele ihrer Melodien, fügte allerdings komplizierte Improvisationen hinzu.
    Die junge Frau musterte ihn und sah, wie sich das blaue Hemd an den breiten Schultern spannte. Unter den hochgerollten Ärmeln zeichneten sich dicke Sehnen und Muskelstränge ab. Und Narben – lange Striemen, die unter dem Stoff verschwanden.
    Magda war versucht, ihn darauf anzusprechen, hielt entsprechende Fragen jedoch für zu persönlich.
    »Die Tonart des letzten Liedes stimmt nicht ganz«, sagte sie.
    »Welches meinen Sie?«
    »Ich nenne es ›Die Geliebte des Maurers‹. Der Text variiert von Ort zu Ort, aber die Melodie bleibt immer gleich.«
    »Nein, nicht immer«, widersprach Glenn. »Ich habe gera de die ursprüngliche Version gespielt.«
    »Weshalb sind Sie da so sicher?« fragte Magda.
    »Die Dorf- Lauter , die mich dieses Lied lehrte, war sehr alt, als wir uns zum erstenmal begegneten. Inzwischen ist sie schon seit vielen Jahren tot.«
    »Von welchem Dorf sprechen Sie?« Magda spürte, wie sich Verärgerung in ihr regte. Zigeunermusik ist mein Fachgebiet, dachte sie. Ich brauche mich von niemandem belehren zu lassen.
    »Kranich, in der Nähe von Suceava.«
    »Ah, an der Moldau. Das erklärt den Unterschied.« Mag da hob den Kopf.
    »Fühlen Sie sich einsam ohne Ihren Vater?« fragte Glenn.
    Magda dachte nach. Zuerst hatte sie ihn tatsächlich vermißt und nicht so recht gewußt, was sie ohne ihn anstellen sollte. Im Augenblick aber genoß sie es, bei Glenn zu sitzen, ihn spielen zu hören und mit ihm zu sprechen. Keinem anderen Mann hätte sie erlaubt, ihr Zimmer zu betreten.
    »Ja«, erwiderte sie. »Und nein.«
    Der Fremde lachte. »Zwei ehrliche Antworten.«
    Stille schloß sich an, und Magda wurde sich Glenns Männlichkeit bewußt. Ihn umgab eine maskuline Aura, de ren Intensität sie erst jetzt im vollen Ausmaß wahrnahm.
    »Sind Sie verheiratet?« fragte er und deutete auf das schmale Gold an Magdas rechtem Ringfinger – der Ehering ihrer Mutter.
    »Nein.«
    »Aber Sie haben einen Geliebten?«
    »Natürlich nicht!«
    »Warum nicht?«
    »Weil …« Die junge Frau zögerte. Soll ich ihm etwa antworten, daß ich längst jede Hoffnung aufgegeben habe, mit einem Mann zu leben und eigene Kinder zu haben? »Weil ich über das Alter hinaus bin, in dem solche Dinge eine Rol le spielen«, entgegnete sie schließlich.
    »Sie sind doch fast noch ein Kind!«
    »Was ist mit Ihnen?« erkundigte sich Magda und ignorierte die letzte Bemerkung des Fremden. »Sind Sie verheiratet?«
    »Im Moment nicht.«
    »Aber Sie hatten eine Ehefrau?«
    »Oh, viele.«
    Magda seufzte. »Spielen Sie weiter!« Glenn schien sie ständig auf den Arm zu nehmen, anstatt ihr offen und ehrlich Auskunft zu geben.
    Kurz darauf ließ er das Instrument sinken. Sie sprachen über verschiedene Themen, die jedoch alle mit Magda in Zusammenhang standen: über

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