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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Musik, Zigeuner, über ihre Meinungen, Hoffnungen und Träume. Zuerst gab sie eher zögernd Antwort, doch Glenn ermutigte sie, und es dauerte nur wenige Minuten, bis sich die Worte zu langen Sätzen aneinanderreihten. Der Fremde ihr gegenüber hörte zu und schien wirklich an ihrem Leben interessiert zu sein – im Gegensatz zu den vielen Männern, die nur auf eine Gelegenheit warteten, über sich selbst zu reden.
    Stunden verstrichen, und irgendwann kroch die Abenddämmerung ins Zimmer.
    »So, das genügt jetzt«, sagte Magda. »Was ist mit Ihnen? Woher kommen Sie?«
    Glenn zuckte mit den Schultern. »Ich bin in verschiedenen Ländern in Westeuropa aufgewachsen, aber man könnte sagen, daß ich Brite bin.«
    »Ihr Rumänisch ist sehr gut. Sie sprechen es fast wie ein Einheimischer.«
    »Ich bin oft hier gewesen und habe sogar in einigen rumänischen Familien gelebt.«
    »Ein britischer Bürger geht ziemliche Risiken ein, wenn er sich in Rumänien aufhält, nicht wahr? Erst recht dann, wenn Nazis in der Nähe sind.«
    Glenn zögerte. »Ich habe nicht die britische Staatsbürgerschaft, wenn Sie das meinen. Ich trage Ausweise bei mir, die von den Behörden mehrerer Länder ausgestellt sind, aber mir fehlt ein eigentliches Vaterland.«
    Ein Mann ohne Heimat? dachte Magda verwirrt. »Seien Sie vorsichtig. Es gibt nicht viele rothaarige Rumänen.«
    »Das stimmt.« Der Fremde lächelte und strich sich übers Haar. »Aber wie dem auch sei: Die Deutschen haben sich in der Feste einquartiert, und die Eiserne Garde meidet die Berge. Aus gutem Grund. Außerdem halte ich mich hier nicht allzulange auf.«
    Das enttäuschte Magda. In Glenns Gegenwart fühlte sie sich immer wohler.
    »Wie lange bleiben Sie?«
    »Lange genug für einen letzten Versuch, bevor Deutschland und Rumänien der Sowjetunion den Krieg erklären.«
    »Dazu wird es nie …«
    »Es ist unvermeidlich. Und es wird schon sehr bald geschehen.« Glenn stand auf.
    »Wohin gehen Sie?«
    »Ich lasse Sie jetzt allein. Sie brauchen Ruhe.«
    Der Mann reichte ihr die Mandoline zurück. Dabei berührte er Magdas Finger. Die junge Frau spürte fast so etwas wie einen elektrischen Schlag, aber sie zog die Hand nicht zurück und wünschte sich, daß der Kontakt andauern würde. Die Berührung erfüllte sie mit einer Wärme, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete, bis hinab zu den Fußspitzen.
    Und Glenn schien ähnlich zu empfinden.
    Plötzlich wich er zurück und ging auf die Tür zu. Als das Prickeln nachließ, war Magda versucht, den Fremden zu bitten, ihr weiterhin Gesellschaft zu leisten. Aber ein derartiges Verhalten widersprach ihrem Wesen – es schockierte sie sogar, mit einem solchen Gedanken gespielt zu haben. Die in ihr brodelnden Gefühle waren völlig neu. Sie brauch te Zeit. Zeit, um sich an sie zu gewöhnen. Zeit, um sie unter Kontrolle zu bringen.
    Die Tür schloß sich hinter Glenn, und die Wärme verflüchtigte sich. Einige Sekunden blieb Magda still sitzen und kam zu dem Schluß, daß sie dem Mann eigentlich dankbar sein sollte. Sie brauchte Ruhe und mußte schlafen, um ihre Kräfte zu erneuern.
    Die kommende Nacht erforderte Wachsamkeit und einen klaren Kopf.
    Magda hatte beschlossen, bei der Begegnung von Molasar und ihrem Vater dabei zu sein.

21. Kapitel
     
    Die Feste
    Donnerstag, 1. Mai • 17.22 Uhr
     
    Wörmann saß allein in seinem Zimmer und beobachtete, wie die Schatten in die Länge wuchsen und die Sonne hinter den hohen Felswänden der Schlucht verschwanden. Mit der heranschleichenden Dunkelheit nahm sein Unbehagen zu. Seit zwei Nächten hatte der unbekannte Mörder keine weiteren Opfer gefordert, und es gab allen Grund zu hoffen, daß auch die kommende Nacht verstrich, ohne daß jemand umkam. Trotzdem nagten Angst und Besorgnis an der Seele des Majors.
    Die Moral seiner Soldaten hatte sich inzwischen erheblich gebessert. Sie fühlten sich wieder als Sieger – man konnte es in ihren Augen sehen und in ihren Gesichtern. Sie waren standhaft geblieben, trotz der gräßlichen Todesfälle. Hinzu kam, daß die Tochter des Professors keine Unruhe mehr stiften konnte. Die Männer in den grauen und schwarzen Uniformen gingen sich nach wie vor aus dem Weg, aber trotzdem entstand eine neue Kameradschaft zwischen ihnen: Sie teilten einen Triumph. Doch Wörmann sah sich außerstande, seine Schwermut zu überwinden.
    Stumm betrachtete er das Gemälde. Er verspürte nicht mehr den geringsten Wunsch, seine Arbeit fortzusetzen oder mit einem anderen

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