Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
jetzt fast mit den Nerven am Ende. Dies war ein Albtraum! Solche Dinge passierten nicht in der wirklichen Welt!
Alles hatte eine Erklärung, eine Ursache und eine Wirkung! Krebsgeschwülste und deren Metastasen verschwanden nicht einfach so, nur weil ein Gesundbeter seine Hand auf einen Kopf legte!
Das rote Licht über der Tür erlosch, und er hastete in den Scanner-Raum. Jake Knopf saß auf dem Rand der Auflage.
»Was ist los, Doktor?«, fragte er. »Sie sehen aus, als ob Sie eine Transfusion nötig hätten.«
Habe ich auch!, dachte Charles. Wodka pur!
»Ich wollte nur Ihren Hals überprüfen, Jake.«
»Sicher. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Charles presste seine Finger über Knopfs rechtes Schlüsselbein, wo die Lymphknoten vorher angeschwollen und knotig waren. Sie waren nicht mehr da. Der Bereich war sauber.
Übelkeit stieg wie eine Welle in ihm auf. Er hatte das Gefühl, als sei seine Welt auf den Kopf gestellt. Er taumelte weg und eilte zu Bulmers Zimmer.
Es bestand kein Zweifel! Knopf war geheilt! Und Bulmer hatte das getan! Aber wie? Heiliger Jesus! Verdammter Scheiß – Gott verflucht –!
Er unterbrach sich mit einem bitteren Lachen. Wenn Bulmers Gabe existierte, dann war alles möglich. Sogar Gott war dann möglich. Es war besser, die Zunge im Zaum zu halten. Vielleicht war da ja doch jemand oben im Himmel. Oder irgendwo da draußen. Oder sonst wo. Und hörte zu.
»Nein«, sagte Bulmer mit einem langsamen, bedächtigen Kopfschütteln. »Ich kann es nicht.«
»Warum verdammt noch mal nicht?«
»Zu spät. Es hält nur eine Stunde an, und dann ist es vorbei.«
»Wie überaus bequem.«
»Ich habe keine Kontrolle darüber.«
»Und wann wird es wieder da sein?«
Er sah auf seine Uhr. »Wahrscheinlich irgendwann morgen früh, aber auf alle Fälle morgen Abend gegen acht.«
Axford setzte sich aufs Bett. Er fühlte sich plötzlich erschöpft.
»Sind Sie sich sicher?«
»Seit Monaten führe ich Buch darüber.« Er zeigte auf einen großen Umschlag.
»Aufzeichnungen?«, fragte Charles und fühlte seine Lethargie etwas schwinden. »Sie haben Aufzeichnungen?«
»Anfangs nur sporadisch, aber dann ziemlich regelmäßig. Wenn Sie sie verwenden wollen, können Sie sie haben. Ich meine, ich leihe sie Ihnen. Ich will sie zurückhaben.«
»Natürlich.« Axford überprüfte sorgfältig den Inhalt des Umschlages – er fand Karteikarten, Notizblätter mit den Firmenköpfen verschiedener pharmazeutischer Firmen, sogar Rezeptvordrucke, deren Rückseiten mit Notizen vollgekritzelt waren, und einige Kassetten. »Was ist das alles?«
»Namen, Daten, Zeiten. Wer, was, wo, wann – die Anfangs- und Endzeit der Stunde der Macht.«
Die Stunde der Macht – es klang wie eine dieser Gospel-Shows im Sonntagmorgen-Programm.
Charles fühlte seine Aufregung wachsen. Das hier war etwas, womit er umgehen konnte – Daten, Fakten, Aufzeichnungen! Damit konnte er arbeiten. Er konnte sie verstehen, mit ihnen spielen und sie analysieren. Aber Jake Knopf …
Wie konnte er mit dem umgehen, was heute mit Jake Knopf geschehen war?
»Sie haben sich nicht nach Mr K. erkundigt?«, sagte er zu Bulmer.
»Wer?« Bulmer schien wirklich verwirrt.
»Der Typ mit den Metastasen im Kopf. Sie haben ihn vor einigen Stunden kennengelernt.«
»Oh ja. Natürlich.« Bulmer lächelte. »Er ist gesund, da bin ich mir sicher. Eine bemerkenswerte ›spontane Remission‹ nicht wahr?«
»Sie können auch Gedanken lesen?«, stieß Charles überrascht aus. Genau das hatte er nämlich gedacht.
Bulmers Lächeln war lakonisch. »Das habe ich schon einige Male gehört.«
»Darauf würde ich wetten.«
Er sah Bulmer in die Augen und zögerte, bevor er die Frage stellte. Die Frage. Denn er fürchtete sich vor der Antwort.
»Ist das alles wahr?«
Bulmer hielt seinen Blick aus. »Ja, Charles. Es ist wahr.«
»Aber wie , verdammt?«
Bulmer erzählte ihm die Geschichte von dem Sanitäter aus Vietnam, der schließlich im Monroe-Community-Hospital auftauchte, ihn berührte und starb.
Eine fantastische Geschichte, aber sicherlich nicht fantastischer als die Remission von Jake Knopf. Er sah Bulmer prüfend an. Die Art, wie der Mann sich benahm, sein bescheidenes Auftreten und die Aufzeichnungen in dem Briefumschlag deuteten auf einen aufrichtigen Menschen hin.
Aber es konnte nicht sein!
Charles erhob sich und nahm den Umschlag.
»Ich werde diese Unterlagen durch den Computer jagen und sehen, ob irgendwelche Korrelationen auftreten.«
»Es
Weitere Kostenlose Bücher