Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
besorgen. Alle Mitarbeiter hier tragen einen Kittel. Damit ist man dann für alle anderen praktisch unsichtbar. Ich habe noch einen in meinem Büro. Warte hier, bis ich zurückkomme.«
Alan sammelte schnell seine wenigen Sachen ein. Er hatte sowieso kaum etwas dabei. Er hatte alles bis auf die Kleidungsstücke, die er trug, verloren, als das Haus abgebrannt war. Er prüfte nach, ob er Brieftasche und Autoschlüssel hatte, dann setzte er sich und wartete.
Durch die geschlossene Tür konnte er fast ständig Bewegung im Flur hören – Schritte hin und her, Krankenbetten, die vorbeigeschoben wurden. Er konnte sich nicht erinnern, dass es in den vergangenen Tagen so viel Hektik gegeben hatte, aber andererseits hatte er auch nicht ungeduldig auf jemanden gewartet, der ihn hier herauslotsen sollte.
Nach einer halben Stunde war er nur noch ein Nervenbündel. Wo verdammt blieb Charles?
Er hatte beabsichtigt, sich erst sehen zu lassen, wenn Charles zurückkam, aber er konnte nicht länger still sitzen. Um irgendetwas zu tun, wollte er nachsehen, ob Charles schon im Anmarsch war.
Der Flur war unheimlich leer. Er bemerkte sofort, dass die ins Treppenhaus führende Tür verschlossen war. Das erschien ihm merkwürdig. Sie stand sonst den ganzen Tag offen und wurde erst nach zehn Uhr abends geschlossen. Er eilte zur Tür und zog am Griff.
Sie bewegte sich nicht.
Hinter der Glasscheibe der Bereich um den Fahrstuhl war leer. Als Alan am Türgriff rüttelte und gegen die Tür trat, erschien ein Gesicht vor der Glasscheibe. Der Mann war dunkel, trug eine Mütze des Sicherheitsdienstes und sah irgendwie vertraut aus.
»Die Tür klemmt«, sagte Alan.
»Nein, Sir«, sagte der Wächter durch die Tür. »Sie ist verschlossen.«
»Nun, dann schließen Sie sie auf!«
Der Sicherheitsbeamte schüttelte entschuldigend den Kopf. »Es ist zu ihrer Sicherheit, Sir. Ein gewalttätiger Patient ist aus der geschlossenen Station geflohen. Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir ihn eingekreist haben und ihn zwischen dem vierten und sechsten Stock fangen, aber erst wenn wir ihn in Gewahrsam haben, werden wir die Stationen und den Verwaltungstrakt wieder freigeben.«
Alan rüttelte am Griff. »Öffnen Sie die Tür.«
»Es tut mir leid, Sir. Das kann ich nicht. Ich habe meine Anweisungen. Aber sobald wir diesen Verrückten haben, werde ich sofort wieder da sein und die Tür öffnen.«
Er entfernte sich von der Tür, und trotz Alans wiederholter Tritte und Rufe kam er nicht wieder.
Wut und Angst vermischten sich. Er war versucht, in den nächsten Raum zu laufen, einen Stuhl zu nehmen und ihn durch das kleine Glasfenster in der Tür zu werfen. Dadurch käme er hier zwar nicht raus, aber es ginge ihm dann schlicht und ergreifend besser.
Andererseits konnte man das später aber als Beweis anführen, dass er nicht nur verrückt, sondern auch noch gewalttätig war. Warum Ihnen in die Hände spielen? Warum es ihnen einfach machen?
Er trat ein letztes Mal frustriert gegen die Tür und ging dann auf die Krankenstation zu, um zu sehen, ob die Geschichte des Wärters zutraf. Als er den Gang entlangging, stellte er fest, dass alle Räume leer waren. Der Flügel war fast vollständig belegt gewesen, aber nun war niemand mehr in den Räumen.
Sein Schritt wurde schneller. Als er die Krankenstation erreichte, war er nicht erstaunt, sie verlassen vorzufinden.
Alan brauchte nicht weiterzusuchen. Er entnahm der Totenstille im ganzen Flügel, dass er allein hier war.
Er eilte in sein Zimmer zurück und nahm den Hörer. Tot. Er hatte es fast erwartet.
Alan holte tief Luft und setzte sich. Er war nicht ängstlich; er war wütend. Aber als er da saß, spürte er, dass seine Wut von dem aggressiven Drang, gegen Wände zu treten und Lampen zu werfen, in eine andere Form überging, in einen scharfen eisigen Zorn.
Er wusste nun, was gespielt wurde. Man würde ihn den ganzen Nachmittag und den frühen Abend unter dem Vorwand hier festhalten, ihn vor einem verrückten Patienten zu beschützen. Und dann, ungefähr um 21:45 – eine halbe Stunde bevor die Flut einsetzte –, würde man den Flüchtling aus der geschlossenen Abteilung gefasst haben und die Tür zu Alans Flügel wieder aufschließen. Alan könnte dann wohl gehen, aber zuvor würde der Senator gern etwas mit ihm plaudern, um ihm zu erklären, was für wundervolle Dinge die Stiftung für ihn in petto hatte, nun da seine Heilkraft bewiesen wäre.
Und nebenbei, da Sie zufällig hier sind und es gerade
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