Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
was Bill je zuvor gehört hatte.
»Hört ihr das?«, rief Spano. »Selbst jetzt ist der Heilige Geist mitten unter uns und ermahnt uns, uns von diesem gefallenen Priester nicht irreleiten zu lassen. Wir bleiben, um die Nachricht über den Antichrist in diesem Haus hinauszuschreien. Nehmt einander bei den Händen und betet!«
Als sie sich zu einem Kreis formierten, sich an den Händen fassten und das Vaterunser intonierten, erkannte Bill, dass diese Leute durch Vernunft nicht zu bekehren waren. Ihr religiöser Wahn ängstigte ihn. Es war vollkommen unvorhersehbar, was passieren würde, wenn sie auf das Grundstück gelangten. Während sie also noch beteten, ging er zu dem schmiedeeisernen Torflügel und zog ihn vor die Einfahrt. Als das Tor gegen die gemauerte Säule auf der anderen Seite traf, fiel der Riegel automatisch ins Schloss.
Spano sah von seinem Gebet auf und starrte ihn finster an.
»Sie können sich vor dem Wort Gottes nicht verstecken, Pater Ryan.«
»Ich weiß«, erklärte Bill spitz. »Von Ihnen bekomme ich das aber auch nicht zu hören.«
Nervös und mit einem unbehaglichen Gefühl stand er da und beobachtete die Meute, die ihre Gebete murmelte. Ihm fiel ein, dass irgendwer mal gesagt hatte, die Intelligenz eines Mobs stehe in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Größe. Er konnte nur hoffen, dass niemand von ihnen eine Dummheit beging. Zumindest würde das geschlossene Tor sie vom Grundstück fernhalten. Das beruhigte ihn ein wenig. Bill wandte ihnen den Rücken zu und ging zum Haus zurück.
11.
»Ich bin also der Antichrist?«
Jim hatte die Menge vor dem Tor bemerkt und gesehen, wie Bill nach draußen gegangen war, um mit ihnen zu reden. Als der Priester jetzt zurückkam, kam er ihm an der Tür entgegen und ließ sich die Lage erklären.
»Das ist ja zum Brüllen!«
»Jim, bitte«, sagte Carol vom Fenster links von ihm. »Das ist nicht komisch.«
»Natürlich ist es das. Das ist zum Totlachen.«
Er konnte ihren Gesichtern entnehmen, dass niemand seine Meinung teilte, am allerwenigsten Ma. Sie schien wütend und verängstigt.
Jim selbst war auch nicht ganz wohl bei dieser Sache. Selbstverständlich war er nicht der Antichrist. Verdammt, er hatte schon im Grundschulalter aufgehört, an diesen Blödsinn zu glauben. Aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm gefiel, wenn andere Leute ihn für den Teufel hielten.
Und diese Logik, dass er keine Seele habe … das war schon irgendwie gruselig. Es zeigte eine gewisse Kreativität bei diesen Irren da draußen. Jim war sich unschlüssig, ob er überhaupt an das Konzept einer Seele glaubte. So wie er das sah, wurde man geboren, man machte das Beste aus dem, was man tun konnte, so viele Jahre lang, wie es einem möglich war, und dann starb man. Das war alles. Keine Seele, kein Himmel, keine Hölle, keine Schattenwelt und kein Fegefeuer.
Aber was, wenn es wirklich so etwas wie eine Seele gab?
Und was, wenn er keine hatte?
Trotz seines tief verwurzelten Skeptizismus, trotz seiner Verachtung für alles Religiöse, für Mystizismus und Spiritualismus und all die anderen -ismen, die sich die Menschen im Laufe der Jahrhunderte zurechtgelegt hatten, um sich vor der kalten, harten Realität der Existenz zu verstecken, wusste er doch tief in seinem Innern, wenn es so etwas wie eine Seele gab, dann wollte er auch eine haben.
»Ich bin wirklich versucht, die Polizei zu rufen«, sagte seine Mutter. »Ich rufe Sergeant Hall an, damit der herkommt, und denen allen sagt, sie sollen verschwinden. Dann ist Schluss mit diesem Fiaskus.«
»Fiasko, Ma«, sagte er. »Aber reg dich nicht auf. Ich werde sie verscheuchen.«
Von allen Seiten hagelte es Protest, aber er ignorierte das und eilte zur Tür hinaus. Das konnte noch lustig werden.
Hinter sich hörte er Carol: »Ich rufe die Polizei.«
12.
»Und wer ist das jetzt?«, hörte sie Mr Veilleur neben sich auf der Rückbank von Martins Wagen fragen.
Grace schnappte nach Luft, als sie die Gestalt erkannte, die auf der anderen Seite des Tores auftauchte. »Das ist Jim.«
»Der Klon? Der, den die für den Antichrist halten?«
»Ja. Und er geht direkt zu ihnen hin.«
»Ziemlich mutig für jemanden, der angeblich ein Sprössling des Teufels ist, finden Sie nicht?«
»Ich weiß nicht, was ich noch denken soll«, sagte sie und dachte an den Rauch, der aus Henrys altem Haus aufgestiegen war, und an das, was hier vorging, und sie fühlte sich vollkommen elend.
»Damit sind Sie nicht allein«, sagte
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