Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Mr Veilleur mit sanfter Stimme. »Das wissen die anderen auch alle nicht.«
13.
»Hallo Leute«, sagte Jim und schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen zum Tor. Er bemühte sich, so unbeteiligt wie möglich zu wirken. »Was liegt an?«
»Wer sind Sie denn?«, fragte der magere Kerl, der vorhin mit Bill geredet hatte. Er hieß Spano, wenn Jim Bill recht verstanden hatte.
»Aber Sie kennen mich doch, oder nicht, Kumpel? Ich bin Jim Stevens, auch genannt Antichrist.«
Verwunderte Rufe brandeten auf. Einige duckten sich sogar weg und versteckten sich hinter den anderen. Jim musste schon sehr an sich halten, um nicht laut herauszulachen. Selbst der Anführer trat einen Schritt zurück. Seine Stimme zitterte, als er sprach: »Sie … Sie geben das zu?«
»Sicher. Ich bin in diese Welt gekommen, um euch christlichen Typen so richtig die Party zu vermiesen. Ihr wisst schon, Sünden und Angst und Krieg und Katastrophen säen und das Jüngste Gericht vorbereiten. Diese Sachen eben. Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht recht, wo ich damit anfangen soll.«
»Er verspottet uns! Er versucht uns zu verwirren, er macht sich über uns lustig!«
»Ich mich lustig machen? Denk doch mal an die letzten zwölf Monate, du Frettchengesicht.« Jim war überrascht, wie klar sein Verstand arbeitete, trotz des Alkohols, den er intus hatte. »Wir hatten einen Sechs-Tage-Krieg im Mittleren Osten, der da das politische Gleichgewicht komplett aus dem Lot gebracht hat, eine Militärjunta in Griechenland, Kriegsrecht in Thailand, kriegerische Auseinandersetzungen in Zypern, Palästina und vor allem in Vietnam, viele Tausend heimatlose, hungernde Flüchtlinge in Somalia, Jordanien und auch das im guten alten Vietnam. Und drüben in der Sowjetunion feiern sie das fünfzigjährige Jubiläum einer Revolution, die unter der russischen und osteuropäischen Bevölkerung mittlerweile mehr als dreißig Millionen Todesopfer gefordert hat. Hier zu Hause haben wir die Rassenunruhen in East Harlem, Roxbury, Newark, Detroit und vielen anderen Orten. Die Schwarzen hassen die Weißen, die Weißen die Schwarzen, die mit Kurzhaarschnitt die Hippies, die Langhaarigen hassen diejenigen, die einen festen Job haben, die Araber hassen die Juden und der Ku-Klux-Klan hasst einfach alle. Immer mehr Leute verbringen ihr Leben zugedröhnt mit Gras oder zerschießen sich den Verstand mit LSD. Und als wäre das noch nicht alles, da haben sie meinen lieben Freund, den Reverend Adam Clayton Powell jr., auch noch aus dem Kongress geworfen. Verdammt! Was soll ich denn da noch?«
Spanos Mund zuckte unkontrolliert. »Ich … ich …«
»Das ist doch wirklich eine Scheißsituation, oder?«
»Lasst euch nicht vom Vater der Lügen verwirren!«, stieß Spano hervor.
Jim streckte die Faust in die Luft. »Richtig so!«
Er überlegte, ob Hanley wohl so eine Szene vorausgeahnt hatte. Vielleicht hatte er deswegen das ganze Experiment geheim gehalten. Die Befürchtungen des Wissenschaftlers waren offenbar gerechtfertigt. Jim hatte Roderick Hanley die letzten Tage gehasst, aber jetzt änderte er langsam seine Meinung.
Außerdem, wenn er nicht wäre, gäbe es mich nicht.
Vielleicht war er doch kein so schlechter Kerl gewesen.
»Der Antichrist versucht uns vorzugaukeln, dass das Böse in der Welt nicht das Werk des Teufels ist.«
Antichrist. Da war das Wort wieder und plötzlich war Jim wirklich wütend. Und je wütender er wurde, desto mehr verblassten die Ängste und Selbstzweifel der letzten Woche. Wie kam dieser teigige, kleine Wicht dazu, ihm zu erzählen, wer er war? Er bestimmte, wer er war. Und er war Jim Stevens. Na gut, genetisch war er identisch mit Dr. Roderik Hanley, dem Nobelpreisträger. Aber das spielte keine Rolle. Er war nicht Roderick Hanley – er war jemand anderes. Er war er selbst und niemand – diese verbohrten religiösen Spinner nicht und auch sonst niemand – durfte es wagen, etwas anderes zu behaupten.
Er lächelte. Carol hatte die ganze Zeit über recht gehabt. Es spielte keine Rolle, dass er ein Klon war. Solange Carol zu ihm hielt, wurde er mit allem fertig. Es war so einfach. Warum nur hatte er das vorher nicht gesehen?
»Betet!«, forderte Spano seine Anhänger auf. »Verschließt eure Ohren vor seinen Lügen!«
Jim hatte plötzlich genug von diesem Spiel.
»Verpisst euch!«, sagte er. »Ihr benehmt euch alle schrecklich albern. Verschwindet, bevor die Polizei hier ist.«
»Nein!«, brüllte Spano. »Wir wollen die Polizei hier
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