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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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während ein hellroter Blutstrom aus seinem Mund quoll.
    Ihre Beine wollten unter ihr nachgeben und ihr Herz wollte ihnen zu Boden folgen und sich da zu einer Kugel zusammenrollen, um den Anblick nicht ertragen zu müssen. Aber sie durfte nicht schwach werden, musste hin zu ihm, sie musste ihn von diesen Eisenstangen losmachen.
    Bill rannte vor ihr, aber sie überholte ihn und prallte unter Jim gegen das Tor, sah zu ihm hoch und schrie wieder und wieder seinen Namen in dem fruchtlosen Versuch, einen Funken Leben in diese starren blicklosen blauen Augen zurückzuholen. Sie meinte, eine Bewegung seines Mundes wahrzunehmen, als würde er versuchen, etwas zu sagen, dann wurden die Lippen schlaff und da war nichts mehr, gar nichts, und dann lief etwas Warmes, Nasses über ihre Finger und sie sah hin und bemerkte das Blut, das an den Gitterstäben hinunterrann, die sie mit ihren Fingern umkrallte. Blut, das sich über ihre Hände ausbreitete wie in einem ihrer Träume, und ihre Schreie wurden zu unartikulierten Klagelauten des Entsetzens und des Verlustes, während Bill sie von dem Tor wegzerrte.
     
    17.
     
    Grace starrte in sprachlosem Schrecken auf Jims gepfählten Körper, der schlaff über den auseinanderspritzenden Mitgliedern der Auserwählten hing. Das konnte nicht wahr sein. Sie spürte, wie ihr Magen beim Anblick des Blutes rebellierte. Er war tot. Er musste augenblicklich tot gewesen sein. Der arme Jim. Niemand verdiente einen solchen Tod.
    Und Carol … Als sie Carol sah und ihre klagenden Schreie hörte, griff sie nach dem Türgriff. Mr Veilleur hielt sie zurück.
    »Sie können ihm nicht mehr helfen«, sagte er mit trauriger, sanfter Stimme.
    »Aber Carol …«
    »Wollen Sie, dass sie erfährt, dass Sie mit den Peinigern ihres Mannes hierhergekommen sind?«
    Nein, das wollte sie nicht – das würde sie nicht ertragen.
    Plötzlich sprang Martin auf der Fahrerseite ins Auto und einer der Auserwählten glitt auf den Beifahrersitz. Ohne zu zögern drehte er den Zündschlüssel um und legte einen Gang ein.
    »Warum laufen Sie davon?«, fragte Mr Veilleur.
    »Halten Sie den Mund! Halten Sie einfach den Mund. Das war nicht unsere Schuld! Er hatte getrunken, man roch es ganz deutlich, und er hätte da nicht hochklettern sollen. Es war nicht unsere Schuld, aber man kann das leicht so hindrehen, also müssen wir zusehen, dass wir von hier wegkommen, bevor uns jemand verhaftet.«
    Als sie losfuhren, sah Grace einen Mann, der in den dichten Lorbeerbüschen am Straßenrand stand. Sie erkannte Jonah Stevens. Sie schaute durch die Heckscheibe zurück und bemerkte, dass er ihr hinterherstarrte. Sein Adoptivsohn war soeben auf schreckliche Weise ums Leben gekommen, aber er zeigte keine Trauer, keinen Schmerz, keine Wut. Alles, was sie in diesem Moment in seinen Augen sah war Angst – Überraschung und Angst. Aber das konnte nicht sein. Das Licht musste sie getäuscht haben.
    »Ich spüre Gottes Hand in diesem Ereignis«, hörte sie Martin von vorne sagen. »Der Heilige Geist hat uns hierhergeleitet, damit genau das geschieht. Der Antichrist ist tot. Er ist nicht länger eine Bedrohung für Gottes Werk. Wir wussten nicht, dass es so kommen würde, aber ich glaube, dies war das, wozu wir auserwählt waren.«
    »Das ist nicht das Werk des Gottes, zu dem ich bete«, sagte Grace bestimmt. »Und was wird Bruder Robert dazu sagen?«
    Martin warf ihr einen kurzen beunruhigten Blick über die Schulter zu, sagte aber nichts.
    Neben ihr schüttelte Mr Veilleur nur den Kopf und seufzte, während er aus dem Fenster sah.
     
    18.
     
    »Das ist alles meine Schuld«, sagte Bruder Robert und strich sich den Bart. Sein Gesicht wirkte hager und er ließ die Schultern unter der wollenen Kutte hängen. »Ich hätte euch begleiten sollen.«
    »Ich glaube nicht, dass das etwas geändert hätte.« Martin war kleinlaut und ganz und gar nicht mehr der forsche Anführer.
    Grace saß neben ihm in dem spartanisch möblierten Wohnzimmer seines Hauses. Die übrigen Auserwählten hatten sich zerstreut, sobald sie die Stadt erreicht hatten. Der ungewöhnlich stille Mr Veilleur hatte gebeten, auf der Manhattan-Seite der Queensboro Bridge herausgelassen zu werden. Grace war bei Martin geblieben, in der Hoffnung, Bruder Robert zu sehen und am inneren Frieden des heiligen Mannes teilhaben zu können.
    Am liebsten wäre es ihr jedoch, wenn ihr jemand sagen würde, dass die ganze Sache nie passiert war. Aber das würde nicht geschehen. Und von Bruder Robert

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