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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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und auch später noch, an denen sie die unsortierten Akten im Waisenhaus von St. Francis durchgekämmt hatten. Jim hatte diese Nachforschungen nach ihrer Heirat schließlich aufgegeben. Sie hatte gedacht, er hätte mit diesem Thema endgültig abgeschlossen.
    Und jetzt das hier.
    »Aber das jetzt ist etwas anderes, verstehst du das nicht? Das ist zu mir gekommen, ich habe nicht danach gesucht. Sieh das mal so, Carol: Ich war ein Findelkind – ich war keine zwei Wochen alt, als die Jeebies mich buchstäblich auf den Stufen des Waisenhauses gefunden haben. Da fehlte nur noch ein tosender Schneesturm und es wäre die klassische Szene aus einem Kitschroman. Es gab keine Spur meiner biologischen Eltern. Und jetzt, sechsundzwanzig Jahre später, werde ich im Testament eines Mannes bedacht, den ich nie gekannt und in meinem ganzen Leben noch nie gesehen habe. Ein berühmter Mann. Ein Mann, der vielleicht nicht riskieren wollte, dass er in den Vierzigerjahren in einen Skandal verwickelt wurde. Schließlich war die Moral der Vierzigerjahre etwas ganz anderes als das Zeitalter der Hippies und der freien Liebe, in dem wir jetzt leben.« Er hielt inne und starrte sie einen Moment lang an. »Verstehst du, was ich meine?«
    Sie nickte.
    »Gut. Dann jetzt noch mal, Liebling: Angesichts dieser Fakten, was ist der erste Schluss, zu dem du kommst, wenn du nach einem Grund suchst, warum der reiche alte Mann ein Findelkind in seinem Testament bedacht hat?«
    Carol zuckte mit den Schultern. »Na gut. Eins zu null für dich.«
    Er lächelte. »Siehst du! Ich bin nicht verrückt«
    Sein Lächeln verfehlte seine Wirkung bei ihr nie. »Nein, bist du nicht.«
    Das Telefon klingelte.
    »Das ist wahrscheinlich für mich«, sagte Jim. »Ich habe bei dieser Kanzlei angerufen und die haben gesagt, sie rufen zurück.«
    »Weswegen?«
    Er blickte sie leicht betreten an: »Darüber, wer mein wirklicher … äh, mein biologischer Vater ist.«
    Sie hörte sich seinen Part des Gesprächs an und bemerkte seine steigende Frustration, als er vom anderen Ende der Leitung keine Auskunft bekam. Schließlich legte er auf und drehte sich zu ihr um.
    »Ich weiß schon, was du jetzt sagen willst. Warum ist mir das so verdammt wichtig? Was bedeutet das schon?«
    Verwirrung gesellte sich zu ihrem Mitleid mit ihm. Sie wollte ihm sagen: Du bist du. Woher du stammst ändert daran doch nichts.
    »Das wäre nicht das erste Mal, dass ich das gefragt hätte.«
    »Schon gut, ich wünschte ich könnte es dabei belassen, aber ich kann nicht.«
    »Du lässt zu, dass es an dir nagt.«
    »Wie soll ich das erklären? Es ist, als sei man auf einem Schiff, das über den Marianengraben schippert. Man lässt den Anker hinab, aber er erreicht keinen Boden, also treibt man weiter und weiter. Man hat das Gefühl, wenn man wüsste, woher man kommt, dann findet man vielleicht auch eine Antwort darauf, wohin man geht. Aber man sieht sich um und alles, was man sieht, ist das weite Meer. Man fühlt sich abgeschnitten von seiner Vergangenheit. Es ist eine Form sozialer und genetischer Amnesie.«
    »Jim, ich verstehe das. Ich habe mich so gefühlt, als meine Familie starb.«
    »Das ist nicht das Gleiche. Das war tragisch. Sie sind tot, aber du hast sie wenigstens gekannt. Und selbst wenn sie am Tag nach deiner Geburt gestorben wären, wäre das etwas anderes. Du könntest dann nämlich zurückgehen und dir Bilder von ihnen ansehen, mit Menschen sprechen, die sie kannten. Sie würden für dich existieren, bewusst und unbewusst. Du hättest Wurzeln, die du zurückverfolgen könntest, nach England oder Frankreich oder sonst wohin. Du würdest dich als Teil eines Stroms fühlen, Teil einer Abfolge, du hättest eine Geschichte hinter dir, die dich auf etwas vor dir hintreibt.«
    »Aber Jim. An solche Dinge denke ich nie. Das tut niemand.«
    »Das liegt daran, dass ihr alle so etwas habt. Für euch ist das selbstverständlich. Du denkst auch nicht viel an deine rechte Hand, oder? Aber wenn du ohne sie geboren wärst, dann würdest du jeden Tag wünschen, du hättest eine …«
    Carol schmiegte sich an ihn und legte die Arme um ihn. Als er sie umarmte, spürte sie, wie ihre Anspannung schwand. Jim hatte diese Fähigkeit: Bei ihm fühlte sie sich ganz, vollständig.
    »Ich werde deine rechte Hand sein«, sagte sie leise.
    »Das warst du immer«, flüsterte er zurück. »Aber ich habe das Gefühl, jetzt klärt sich alles. Bald werde ich Bescheid wissen.«
    Carol setzte ein übertriebenes Schmollen

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