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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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auf. »Ich schätze, dann brauchst du mich ja nicht mehr.«
    »So weit kommt es noch! Ich werde dich immer brauchen.«
    Sie befreite sich aus der Umarmung. »Das will ich auch hoffen. Andernfalls schicke ich dich nach St. Francis zurück!«
    »Verdammt!«, sagte er. »Das Waisenhaus! Warum habe ich nicht daran gedacht! Vielleicht müssen wir nicht bis zur Testamentseröffnung warten. Vielleicht finden wir da die Verbindung!«
    »Ach Jim, wir sind diese Aufzeichnungen tausendmal durchgegangen!«
    »Ja, aber wir haben nie nach einem Verweis auf Dr. Roderick Hanley gesucht, oder?«
    »Nein, aber …«
    »Komm schon!« Er reichte ihr ihren Mantel und ging zur Garderobe, um seinen eigenen zu holen. »Wir fahren nach Queens!«
     
    4.
     
    Emma Stevens wartete ungeduldig vor dem Angestellteneingang des Schlachthauses. In dem kleinen kalten Aufenthaltsraum war es bis auf das gelegentliche Ticken der Stempeluhr still. Sie rieb sich die Hände, eine über die andere, in einer durchgängigen Kreisbewegung. Es half, um sie warm zu halten, aber sie hätte es wahrscheinlich auch getan, wenn es mitten im Juli wäre. Der Tumult, der in ihr tobte, schien ihren Händen ein Eigenleben zu verleihen.
    Warum brauchte Jonah so lange? Sie hatte ihm ausrichten lassen, dass sie hier war. Sie hatte ihn bei der Arbeit nicht stören wollen, aber sie hielt es nicht länger aus. Sie musste über diese Sache reden. Jonah war der Einzige, der das verstehen würde. Warum kam er nicht?
    Emma sah auf ihre Uhr und stellte fest, dass sie erst wenige Minuten wartete. Sie holte tief Luft.
    Beruhig dich, Emma.
    Sie starrte durch das kleine Maschendrahtfenster in der Tür nach draußen. Der Angestelltenparkplatz war fast ausgestorben, verglichen mit den Zeiten vor der Kurzarbeit. Man munkelte sogar, dass das Schlachthaus zum Jahresende ganz dicht gemacht werden würde. Was sollten sie und Jonah dann tun?
    Schließlich ertrug sie das Warten nicht länger. Sie schob sich durch die Tür, ging den kurzen Korridor entlang, und dann durch die Tür, durch die man ins eigentliche Schlachthaus kam. Sie stand da wie angewurzelt, als eine frisch gehäutete Rinderhälfte, die in der Kälte dampfte und aus der es rot heraustropfte, an ihr vorbeisauste. Sie zuckte und schwankte an der Kette, die sie mit der Laufschiene unter der Decke verband. Eine weitere folgte sofort dahinter. Der Geruch von Blut, einiges alt und geronnen, anderes, das gerade aus einer durchschnittenen Kehle quoll, lag in der Luft. Und schwach im Hintergrund das unsichere Muhen der Kühe, die in den Gattern darauf warteten, bis sie an der Reihe waren.
    Plötzlich sah Emma auf und da war Jonah, gekleidet in eine große Gummischürze, einen grauen Overall, schwarze Gummihandschuhe und Gummistiefel. Alles war mit Blut, Haaren und Exkrementen verschmiert. Er starrte auf sie herunter. Er war gerade fünfzig geworden, hatte aber den hochgewachsenen, muskulösen Körper eines viel jüngeren Mannes. Klare blaue Augen und scharfkantige Gesichtszüge. Selbst nach dreißig Jahren Ehe erregte sie sein Anblick immer noch. Wenn die schwarze Filzklappe über seinem linken Auge nicht wäre, hätte man ihn für eine ältere Version dieses amerikanischen Schauspielers halten können, den sie im letzten Jahr in einem italienischen Western gesehen hatten.
    »Worum geht’s, Emma?« Seine Stimme war so unbehauen wie seine Gesichtszüge, sein Südstaatenakzent noch ausgeprägter als der ihre.
    Sie war plötzlich verärgert. »›Hallo Emma‹«, sagte sie. »›Schön, dich zu sehen. Ist etwas passiert?‹ Mir geht es gut, Jonah.«
    »Ich habe nur ein paar Minuten, Emma.«
    Weil ihr plötzlich einfiel, dass er sicherlich Angst um seinen Job hatte, verebbte ihr Ärger. Glücklicherweise war es schwer, jemanden zu finden, der bereit war, Jonahs Aufgaben zu übernehmen, ansonsten stände er wahrscheinlich schon wie so viele andere seit Monaten auf der Straße.
    »Tut mir leid. Ich dachte nur, das wäre so wichtig, dass es nicht warten könnte. Jimmy hat heute Post von irgendwelchen Anwälten bekommen. Er steht im Testament von diesem Doktor Hanley, der bei dem Flugzeugabsturz letzte Woche umgekommen ist.«
    Jonah trat an eines der Fenster und blickte, wie es ihr schien, lange Zeit durch das schmutzige Glas nach draußen. Schließlich drehte er sich um und schenkte ihr eines seiner knappen, seltenen Lächeln.
    »Er kommt.«
    »Wer? Wer kommt?«
    »Der Eine.«
    Emma war plötzlich flau im Magen. Fing Jonah jetzt wieder an,

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