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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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würde.

 
    II
     
    Jackson Heights, Queens
     
    1.
     
    »Pater Bill! Pater Bill!«
    William Ryan, Mitglied der Gesellschaft Jesu, erkannte die Stimme. Das war Kevin Flaherty, mit seinen sechs Jahren das größte Plappermaul und die größte Petze von St. Francis. Bill hob den Kopf, den er für seine tägliche Andacht gesenkt hatte, und sah, wie der kleine rothaarige Lümmel in vollem Tempo den Gang entlanggerannt kam.
    »Sie prügeln sich wieder, Pater Bill!«
    »Wer?«
    »Nicky und Freddy! Und Freddy sagt, diesmal macht er Nicky kalt!«
    »Sag denen einfach, sie sollen sofort aufhören, sich zu prügeln, sonst bekommen sie beide den Schläger zu spüren.«
    »Sie bluten, Pater!«
    Bill seufzte und klappte sein Brevier zu. Er musste das selbst regeln. Freddy hatte Nicholas gegenüber einen Vorteil von zwei Jahren und zwanzig Kilo und neigte dazu, andere zu drangsalieren. Anscheinend hatte sein loses Mundwerk Nicholas wieder eine Menge Ärger eingebracht.
    Als er sein Büro verließ, nahm er den gefürchteten roten Wiffleschläger mit, der sonst in einer Ecke des Raums stand. Kevin rannte voraus und Bill ging schnell hinter ihm her. Er beeilte sich, versuchte aber, sich das nicht anmerken zu lassen.
    Er fand sie im Flur vor den Schlafsälen, umgeben von den anderen Jungen, die um sie herumstanden und sie anfeuerten. Einer der Beobachter sah auf und bemerkte den näher kommenden Priester.
    »Da kommt der große böse Bill! Weg hier!«
    Der Kreis löste sich hastig auf, übrig blieben nur die beiden Kämpfer auf dem Boden. Freddy saß auf Nicky und hatte die Faust erhoben, um Nickys bereits blutigem Gesicht einen weiteren Schlag zu versetzen. Als sie Bill sahen, vergaßen sie plötzlich ihren Streit und flohen wie die anderen. Zurück blieb Nickys Brille auf dem Fußboden.
    »Nicholas! Frederick!«, rief Bill.
    Sie blieben augenblicklich stehen und drehten sich um.
    »Ja, Pater?«, kam es wie aus einem Mund.
    Er deutete auf eine Stelle auf dem Boden direkt vor ihm.
    »Hierher! Sofort!«
    Sie kamen näher und blieben vor ihm stehen, den Blick zu Boden gerichtet. Er hob Nickys Kinn an. Das normalerweise schon missgestaltete Gesicht des Zehnjährigen war zerschrammt und geschwollen. Blut war über seine linke Wange und sein Kinn verschmiert und tröpfelte weiter langsam aus seinem linken Nasenloch.
    Bill spürte, wie der Ärger in ihm aufstieg. Er loderte noch heftiger, als er Freddys Kinn anhob und feststellte, dass das runde, sommersprossige, blauäugige Gesicht des älteren Jungen völlig unverletzt war. Am liebsten hätte er Freddy von seiner eigenen Medizin zu kosten gegeben. Stattdessen zwang er sich zu ruhiger Sprache, wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Was habe ich dir über das Verprügeln von anderen Leuten gesagt?«, fragte er Freddy.
    »Er hat mir einen Schimpfnamen gegeben!«, sagte Freddy mit zitternder Unterlippe.
    »Er hat mir meine Bücher aus der Hand geschlagen!«, sagte Nicky.
    »Jetzt mal langsam …«
    »Er hat mich skrofulös genannt!«
    Bill war einen Augenblick lang verdutzt. Dann drehte er sich zu dem kleineren Jungen um.
    »Was hast du zu ihm gesagt?« Er musste sich auf die Lippen beißen, um nicht in lautes Lachen auszubrechen. Der Junge war einfach zu gut! »Wo hast du denn das Wort her?«
    »Ich habe es einmal in einem Buch gelesen«, sagte Nicky und wischte sich das Blut von seiner Nase in den Ärmel seines weißen Hemdes.
    Einmal. Nicky vergaß nie etwas. Nie.
    »Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?«
    »Natürlich«, sagte er abschätzig. »Das ist ein Krankheitsstadium der Tuberkulose, in dem die Drüsen chronisch geschwollen sind.«
    Bill nickte unbestimmt. »Richtig.«
    Er hatte nur gewusst, dass es irgendeine Form von Krankheit war, aber er konnte vor Nicky nicht zugeben, dass der mehr wusste als er selbst. Der Junge würde unerträglich sein, wenn er so etwas merken würde.
    Bill hob den roten Wiffleschläger und ließ ihn sachte gegen seine linke Handfläche klatschen.
    »Na gut. Ihr Jungs wisst, was jetzt ansteht. Frederick, du holst die anderen, während Nicholas seine Brille aufhebt.«
    Freddy erbleichte und rannte auf die Schlafsäle zu. Nicholas drehte sich um und hob seine Brille mit den dicken Gläsern und dem schwarzen Gestell auf.
    »Ach, sie ist wieder zerbrochen«, sagte er und hielt den losen linken Bügel hoch.
    Bill streckte ihm die Hand entgegen. »Gib her. Wir reparieren sie später.« Er ließ die Brille in die Seitentasche seiner Soutane gleiten.

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