Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
sich nur über ein scharf abgegrenztes Rechteck von exakt der Größe, die Jims Sarg hatte, der zwei Meter darunter lag. Carol hatte das nicht erwähnt. Vielleicht hatte sie es nicht bemerkt. Bill hatte nicht vor, sie darauf hinzuweisen.
Er drehte sich um und blickte sie an, sah ihr gequältes, verängstigtes Gesicht und wollte ihr verzweifelt helfen. Aber wie?
»Carol, was soll ich dir sagen?«
Ihre Beherrschung bekam Risse. Ihr Gesicht verzerrte sich und Tränen strömten ihre Wangen entlang.
»Ich will, dass du mir versicherst, dass er nicht vom Teufel besessen war und dass es einen guten Grund gibt, warum das Gras auf seinem Grab abgestorben ist.« Sie suchte Halt an ihm und begann zu schluchzen. »Das ist alles, was ich will. Ist das zu viel verlangt?«
Zögerlich nahm Bill sie in die Arme und tätschelte tröstend ihren Rücken. Es schien ihm eine vollkommen unpassende Geste, aber es war alles, was er tun konnte, das Äußerste, was er zu tun wagte.
Denn die Berührung mit Carol erzeugte ungemein angenehme, aber völlig unwillkommene Empfindungen in seinem ganzen Körper. All die versteckten Gefühle und Gelüste, die ihn nachts am Schlafen hinderten, erwachten jetzt im hellen Tageslicht und begannen sich zu rühren. Er umarmte sie noch einen kurzen Augenblick, dann ging er widerstrebend ein wenig auf Abstand.
»Nein, es ist nicht zu viel verlangt.« Er blickte sie streng an. »Aber es überrascht mich, dass du mich so etwas fragen musst.«
»Ich weiß, ich weiß.« Sie schlug den Blick nieder. »Aber nach all den Sachen, die diese schrecklichen Leute da letzten Sonntag gesagt haben, und jetzt komme ich hierher und sehe das hier … ich … ich habe einfach ein bisschen die Nerven verloren.«
Er blickte zurück auf die abgestorbene Grasfläche. »Das ist schon merkwürdig, aber ich bin sicher, es gibt eine logische Erklärung dafür, für die man nicht erst den Teufel in Anspruch nehmen muss.«
»Gut. Dann verrate sie mir.«
»Lass uns zum Auto zurückgehen«, sagte er.
Er hielt schützend den Arm um ihre Schulter gelegt, als er sie den Abhang hinunter zur Straße brachte. Er brachte es nicht über sich, den körperlichen Kontakt aufzugeben. Jedenfalls jetzt noch nicht.
Er ließ sie schließlich los, als er ihr die Wagentür an der Beifahrerseite öffnete.
»Was denkst du?«, fragte sie, als er den Wagen anließ.
Sie fieberte so sehr nach einer Erklärung – wenn er doch eine für sie hätte.
»Ich weiß es nicht. Ich bin kein Botaniker. Aber sicher wirst doch gerade du wissen, dass Jim nicht vom Teufel besessen war oder sonst so ein Unsinn. Wir wissen beide, dass er Atheist war, aber an den Teufel zu glauben war für ihn genauso undenkbar wie der Glaube an die Existenz Gottes.«
»Aber was ist mit dem Haar in seinen Handflächen? Du hast sie doch da gehört, als sie das gesehen haben. Sie nannten es das ›Zeichen des Tiers‹. Sie meinten, das sei das Zeichen, dass der Teufel in ihm sei.«
»Jim war nun mal ziemlich behaart. Haare in den Handflächen bedeutet bloß, dass er Haarwurzeln an einer ungewöhnlichen Stelle hatte, und sonst gar nichts. Mehr ist da nicht. Es war wahrscheinlich genetisch bedingt. Wenn er wirklich ein Klon von diesem Hanley war, dann wird der wohl auch behaarte Handflächen gehabt haben.«
»Na ja«, sagte Carol langsam. »Auf den alten Fotos sah es schon so aus, als wäre Hanley ziemlich behaart.«
»Was habe ich dir gesagt? Wirklich, Carol, dieser ganze Quatsch mit dem Teufel ist genau das – Quatsch.«
Bei dem darauf folgenden Schweigen blickte er zu ihr hinüber und sah, wie schockiert sie ihn anstarrte.
»Bill! Du bist ein Priester!«
Er seufzte. »Ich weiß, dass ich Priester bin. Ich habe die letzten zehn Jahre damit verbracht, Theologie zu studieren – und das habe ich wirklich intensiv betrieben! –, und eines kannst du mir glauben, Carol: Kein Intellektueller in der katholischen Glaubensgemeinschaft glaubt an den Teufel.«
Sie lächelte ihn traurig an.
»Stimmt etwas nicht?«
»Katholische Intellektuelle … ich weiß, was Jim dazu sagen würde.«
Bill schnürte es die Kehle zu. »Das weiß ich auch. Er würde sagen: ›Das ist ein Widerspruch in sich!‹«
Sie schluchzte. »Ach Bill, er fehlt mir so!«
»Ich weiß, Carol« Er fühlte ihren Schmerz, teilte ihn sogar zum Teil. »Also halt ihn in dir lebendig. Behalte deine Erinnerungen.«
4.
Carol riss sich zusammen, aber es kostete sie Anstrengung.
»Was du da vorhin gesagt hast –
Weitere Kostenlose Bücher