Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
das Geräusch ab. Sie war mit den Nerven am Ende. Zitternd stand sie da, während sich die Kabine nach unten in Bewegung setzte.
Ich habe nur seine Hand berührt.
Als sie auf den sonnigen Angestelltenparkplatz hinaustrat, beschloss sie, dass sie es heute vielleicht über sich bringen könnten, nach Tall Oaks hinauszufahren. Sie hatte das schon gestern tun wollen, brachte aber bei dem regnerischen Wetter nicht den Mut dazu auf. Doch jetzt hatte sie das Gefühl, sie müsse in Jims Nähe sein, an seinem Grab sitzen und mit ihm reden, auch wenn er nicht antworten würde.
Jim, Jim, Jim … wie soll ich nur ohne dich zurechtkommen?
2.
Ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Wind strich über die nackten Hügel von Tall Oaks. Aufrecht stehende Grabsteine waren hier nicht erlaubt. Nur nüchterne Granitplatten, die flach in den Boden eingelassen wurden. In gewisser Weise so wie auf dem Friedhof von Arlington. Carol gefiel das. Wenn man nicht zu genau hinsah, konnte man sich beinahe vorstellen, man schlendere durch die Parkanlagen eines großen Anwesens auf dem Lande.
Jims Grab war leicht zu finden. Das würde es noch so lange sein, bis die Blumen abgeräumt wurden. Ungefähr zwanzig Meter rechts neben ihm war ein weiteres mit Blumen bedecktes Rasenstück, wo jemand am gleichen Tag wie Jim begraben worden war.
Carol zögerte unwillkürlich, dann zwang sie sich dazu, weiterzugehen. Sie musste sich daran gewöhnen, denn sie hatte vor, häufig hierherzukommen. Sie würde Jim nicht vergessen. Wenn er schon in dieser Welt nicht weiterleben konnte, dann würde sie wenigstens dafür sorgen, dass er das in ihren Gedanken und ihrem Herzen tat.
Als sie das Grab erreichte, starrte sie entsetzt darauf hinab. Was sie da sah, versetzte sie so sehr in Schrecken, dass sie zum Wagen zurückrannte. Am liebsten hätte sie geschrien, aber da war niemand, der sie hätte hören können.
Aber sie konnte jemanden anrufen. Ihr fiel nur ein Mensch ein, an den sie sich bei so einer Sache wenden konnte.
3.
»Sieh es dir an! Alles tot. Alle. So, als würden sie schon seit Wochen hier liegen.«
Bill stand vor Jims Grab und die Nachmittagssonne schien warm in seinem Rücken. Er zog sich den Parka aus, den er über den kurzärmeligen Talar und den Kragen geworfen hatte, dann blendete er Carols aufgeregte Stimme einen Moment aus, als er versuchte, sich zu konzentrieren. Sie hatte ihn heute Morgen völlig panisch angerufen, weil etwas mit Jims Grab war. Er hatte keine klare Geschichte aus ihr herausbekommen, aber er hatte sie mit dem Versprechen beruhigen können, dass er nach Monroe kommen würde, sobald er sich bei St. F’s freimachen konnte.
Er starrte das matte braune Rechteck aus abgestorbenem Gras auf Jims Grab an.
Bill unterdrückte das Und?, das ihm auf der Zunge lag, und versuchte sich in Carols Gefühle hineinzudenken, die sich hinter ihn duckte und ihn als Schild zwischen sich und dem Grab benutzte, als habe sie Angst, es würde beißen.
»Warum ist das alles tot, Bill?«, fragte sie. »Gib nur einen guten, vernünftigen Grund, warum hier auf diesem Grab alles abgestorben ist und nirgendwo sonst und ich verspreche dir, ich belästige dich nie wieder mit irgendetwas.«
»Vielleicht haben sie die Rasenstücke nicht ordnungsgemäß wieder eingefügt und sie sind ausgetrocknet.«
»Ausgetrocknet? Es hat gestern den ganzen Tag geschüttet.«
»Na ja, vielleicht haben sie sie ja auch nicht tief genug abgestochen und die Wurzeln beschädigt. Es ist schon eine Kunst, Rasen ordentlich abzustechen, weißt du?«
»Ja schon. Aber meinst du wirklich, dass die das hier bei Jims Grab vollkommen falsch gemacht haben, bei dem Grab da drüben aber völlig richtig? Die beiden Beerdigungen waren am gleichen Tag.«
»Vielleicht …«
»Gott, Bill, selbst wenn die den Rasen klein gehäckselt und die Reste über dem Grab verstreut hätten, wäre das jetzt noch grün.«
Bill starrte auf die toten braunen Grashalme, die sich trocken aus dem Dreck hoch ringelten und musste zugeben, dass Carol recht hatte. Das Gras war abgestorben. Als sei das Leben aus ihm herausgesaugt. Aber wie? Und warum? Warum nur hier und nicht auch auf der Parzelle daneben? Es könnte natürlich jemand ein Pflanzenvernichtungsmittel darübergeschüttet haben. Aber das ergab keinen Sinn. Wer sollte so etwas tun?
Das Beunruhigendste an dem Fleck war jedoch, dass er nicht bis ganz zu den Kanten der wieder eingefügten Soden reichte. Das tote Gras erstreckte
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