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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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genau einer Woche ums Leben gekommen war, aber dann erfuhr sie auch noch, dass sie schwanger war, und jetzt rief sie ein gestörter Schwachkopf an und behauptete, ihr ungeborenes Kind sei der Antichrist.
    Es erstaunte ihn immer wieder, welche unglaublichen Variationen der alltägliche Wahnsinn immer wieder bereithielt.
    Zeit zu gehen.
    Bill blickte auf Carol, die ihm gegenüber auf der Decke saß, und hatte das Gefühl, als würde er durch ihr Sommerkleid hindurchsehen. Er sah immer wieder ihren nackten Körper, so wie sie Freitagnachmittag vor ihm gestanden hatte. Ihre Brüste mit den erigierten Brustwarzen, ihr üppiges Schamhaar …
    Zeit zu gehen.
    Es war eine Qual, ihr so nahe zu sein. Und er schämte sich, weil er bedauerte, ihr am Freitag nicht nachgegeben zu haben. Er versuchte, den Gedanken von sich zu schieben, sich davon abzuwenden und das Ereignis hinter sich zu lassen, aber es blieb ihm auf den Fersen, nagte an ihm, zupfte an seinem Ärmel.
    Irritiert wurde ihm bewusst, dass er sie liebte, dass er sie immer geliebt hatte, dieses Gefühl aber in einem tiefen Brunnen von täglichem Gebet, Arbeit und Ritualen versenkt hatte. Jetzt waren die alten Gefühle wieder an die Oberfläche gestiegen und schwammen dort wie ein ermordeter Leichnam.
    Wenn er sich nicht bald auf den Weg machte …
    »Zeit zu gehen«, sagte er.
    Carol nickte ergeben. »Wahrscheinlich. Danke, dass du so lange geblieben bist.« Sie beugte sich vor und ergriff seine Hände und die Berührung erzeugte in ihm eine unwillkommene Anspannung. »Danke für alles, was du dieses Wochenende getan hast. Wärst du Freitag nicht hier gewesen, wäre ich vielleicht gestorben.«
    »Wenn ich nicht hier gewesen wäre, hättest du vielleicht nicht …« Er verstummte. Er konnte es nicht aussprechen. »Vielleicht wäre gar nichts passiert.«
    Sie ließ seine Hände los. »Ja, vielleicht.«
    Als sie aufstanden, nahm Carol die Platte mit den Sandwichs und Bill die Decke. Er drehte sich um, um sie auszuschütteln, als er ihren Aufschrei hörte.
    »Bill, sieh mal!«
    Er wandte sich um und sah einen Fleck braunen Grases vor ihren Füßen.
    »Was ist los?«
    »Das Gras! Da habe ich gesessen! Und jetzt ist es abgestorben, genau wie das Gras auf Jims Grab!«
    »Beruhige dich, Carol …«
    »Bill, irgendwas stimmt nicht! Ich weiß das! Irgendwas ist ganz schrecklich falsch.«
    »Ach komm schon! Wir haben noch nicht einmal Frühling. Wahrscheinlich hat da irgendein großer Hund im Winter seine Blase ausgeleert und das Gras hatte noch keine Gelegenheit, sich wieder zu erholen.«
    »Das ist genau die Stelle, wo ich gesessen habe! Hast du die Stelle bemerkt, als du die Decke ausgebreitet hast? Na?«
    Weil er die Panik in ihren Augen sah, entschied er sich zu einer Lüge.
    »Jetzt, wo du es sagst – ja. Ich meine, dass ich da einen braunen Fleck gesehen habe.«
    Die Erleichterung auf ihrem Gesicht entschädigte für die Lüge. Genau genommen hatte er zuvor kein abgestorbenes Gras bemerkt. Aber er hatte auch nicht darauf geachtet.
    »Lass uns doch einfach ein kleines Experiment machen«, schlug er vor. »Folge mir.«
    Als er vorhin darauf gewartet hatte, dass Carol aus dem Haus kam, war er im Garten herumgeschlendert und hatte eine Reihe Geranien bemerkt, die im Gewächshaus auf der Südseite der Villa blühten. Er führte sie jetzt in das Glashäuschen, in dem tropische Temperaturen herrschten. Der durchdringende Geruch der hellroten Blüten erfüllte den Raum.
    »Hier«, sagte er und deutete auf ein Exemplar mit einem besonders langen Stängel. »Leg deine Finger um eine der Blumen und halte sie einen Augenblick lang fest, ohne zuzudrücken.«
    »Warum?«
    »Weil ich dir beweisen will, dass weder Gras, noch Blumen noch sonst etwas wegen Jim oder deinem Baby stirbt.«
    Sie sah ihn unsicher an, dann kniete sie nieder und tat wie geheißen. Bill sandte ein lautloses Stoßgebet gen Himmel, dass nicht gerade dieser Augenblick ein Beweis für die grenzenlosen Möglichkeiten des alltäglichen Wahnsinns werden würde.
    Wenn die Blume stirbt, stecken wir in wirklichen Schwierigkeiten, dachte er flüchtig.
    Nach einer guten halben Minute ließ Carol den Stängel los und wandte sich ab, als könnte die Blüte plötzlich explodieren.
    »Siehst du?«, sagte Bill und hoffte, dass seine eigene Erleichterung darüber, dass der Stängel grün und fest blieb, nicht zu offenkundig war. »Du lässt dich von deiner Fantasie hinreißen. Du nimmst diesen verbohrten Fanatikern ihre paranoiden

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